"Für Migranten bleibt der Weg meist versperrt"
Mustafa Al-Ammar beklagt schwierigen Zugang in den Bundestag - Mehr Beteiligung nützt der gesamten Gesellschaft

Von Benjamin Auber
Berlin. Mustafa Al-Ammar ist Vorsitzender von "Humanitär ohne Grenzen" und lebt seit 30 Jahren in Deutschland. Außerdem erklärt er in ausländischen Medien oft die deutsche Politik.
Herr Al-Ammar, Sie wollten für die CDU Backnang-Schwäbisch Gmünd in den Bundestag einziehen, verloren aber den innerparteilichen Machtkampf deutlich. Glauben Sie, dass das an Ihrem Namen bzw. irakischen Wurzeln lag?

Als engagierter Brückenbauer und Integrationsbeauftragter habe ich lediglich vier Stimmen erhalten. Das ist schon eine Enttäuschung gewesen, vor allem weil wir als Partei viel über Vielfalt reden, aber am Ende wenig bis nichts passiert.
Erleben Sie persönlich eine strukturelle Diskriminierung?
Ich fühle mich nicht diskriminiert, weil ich seit sechs Jahren immer wieder in den CDU-Vorstand vor Ort gewählt worden bin. Auf jeden Fall ist das schon ein Schritt in die richtige Richtung. Aber eine Beteiligung im Bund oder für das Land ist schwierig, denn für Migranten bleibt der Weg meist versperrt. Darüber sollten wir intensiver nachdenken. Ein modernes Deutschland sieht anders aus. Wir haben viele Migranten, die in diesem Land auf politischer Ebene etwas bewegen wollen, vor allem weil wir in einer fatalen Welt leben, die immer größer werdende Rassismustendenzen offenbart.
Ist im Bundestag eine Migrationsquote von elf Prozent zu wenig? Sie ist immerhin um drei Prozent gestiegen ...
Das ist immer noch zu wenig. Wir haben als Einwanderungsland immer mehr Migranten, die zu Deutschen werden. Und dann ist so eine Quote bei 26,7 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund im Land enttäuschend, vor allem weil verschiedene Bevölkerungsgruppen wie Türken, Iraker oder Afghanen deutlich unterrepräsentiert sind, obwohl sie eine größere Gruppe darstellen.
Die Linke macht mit 28,3 Prozent eine bessere Figur als die Union mit 4,1 Prozent ...
Ein fatales Signal, dass in der CDU nicht nur im Bundestag, sondern auch auf der Vorstandsebene fast niemand einen Migrationshintergrund hat. Dazu kommt noch, dass es in der CDU keinen wahrnehmbaren Innenpolitiker mit Migrationshintergrund gibt, der wäre aber wichtig, um besser gehört zu werden. Politik ohne echte Zugehörigkeit. Damit werden wir Menschen auf Dauer verlieren.
Hilft es in der Wahrnehmung, wenn Cem Özdemir als erster Minister mit türkischen Wurzeln vereidigt wird?
Nachdem es in diesem Bereich seit 70 Jahren keine Veränderung gegeben hat, ist die Benennung vom Cem Özdemir ein Segen für die gesamte Gesellschaft. Obwohl ich natürlich gehofft hätte, dass er eine andere Position bekleidet. Mit dem Auswärtigen Amt oder dem Innenministerium hätte Özdemir als intelligenter Brückenbauer viel stärker in die Gesellschaft hineinwirken können. Schade, dass die neue Ampel-Regierung insgesamt diese Chance verspielt hat.
Welche Forderungen haben Sie, um die Benachteiligung im Bundestag zu verringern? Hilft nur eine Quote?
Eine Quote birgt immer die Gefahr, dass nicht die besten Menschen für eine Aufgabe nominiert werden, sondern nur nach ihrer Ausprägung. Das Problem haben die Ampel-Parteien ganz offensichtlich. Um die strukturelle Benachteiligung zu bekämpfen, muss man laut sein und sich dafür immer wieder einsetzen, damit wir unseren Platz finden, weil das unser Land ist.
Die Ampel-Koalition will die Einwanderung nach Deutschland vereinfachen. Wie finden Sie das?
Eine vereinfachte Einwanderung ist grundsätzlich kein Problem. Doch wir müssen aufpassen, denn die deutsche Staatsbürgerschaft ist nicht nur ein Papier, sondern ein Wert. Diejenigen, die zu uns kommen, müssen nachweisen, dass sie unser Grundgesetz respektieren und akzeptieren. Das braucht mehr Zeit. Viele, die zu uns kommen, habe in der Schule gelernt, Israel zu hassen. Diese rote Linie darf aber niemals mehr überschritten werden.