Geld, Reformen, Mentalitätswandel

Bundeswehr-Marschbefehl der Regierenden

Verteidigungsminister und Kanzler kündigen vor den Generälen der Bundeswehr allerhand an.

11.11.2023 UPDATE: 11.11.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 43 Sekunden
Vergebliche Bitte um mehr Licht: Bundeskanzler Olaf Scholz bei der Bundeswehrtagung in Berlin. Foto: AFP

Von Mareike Kürschner, RNZ Berlin

Berlin. "Wenn ich einen Wunsch äußern darf – ein bisschen mehr Licht wäre nicht schlecht", wendet sich Kanzler Olaf Scholz an die Regie im Saal, in dem die Bundeswehrtagung am Freitag stattfindet. Doch heller wird es nicht auf der Bühne. Der Kanzler muss seine Rede in schummriger Kulisse vortragen und verspricht sich häufig, weil er offenbar die Buchstaben auf seinem Zettel nicht richtig erkennt. Wenige Stunden später, als Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht, der im Beliebtheitsranking weit vor Scholz steht, stimmt die Beleuchtung. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Dabei hatten beide SPD-Politiker am Freitag die gleiche Botschaft mitgebracht: Die Bundeswehr soll dauerhaft deutlich mehr Geld bekommen. Das mit 100 Milliarden Euro ausgestattete Sondervermögen für die Bundeswehr sei nur "ein erster wichtiger Schritt", sagte Scholz. Deutschland werde das Zwei-Prozent-Ziel der Nato erstmals im kommenden Jahr erreichen. "Wir werden dauerhaft diese zwei Prozent gewährleisten" – bis ins nächste Jahrzehnt, versprach der Kanzler. Pistorius betonte, er sei mit dem Haushaltsausschuss in intensiven Debatten, denn 2027 oder spätestens 2028 sind die 100 Milliarden aufgebraucht. "Wir müssen daher auch nach dem Sondervermögen einen Aufwuchs des Verteidigungshaushalts auf zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts erreichen. Dafür bedarf es frühzeitiger Weichenstellungen", sagte der Minister.

Haushalts- und Verteidigungsexperte Ingo Gädechens (CDU) kritisiert die Ankündigungspolitik der Regierung: "Der vorliegende Haushaltsentwurf für 2024 zeigt das genaue Gegenteil: Der Kanzler und seine Regierung treffen keinerlei Vorsorge für eine mittel- und langfristig auskömmliche Bundeswehrfinanzierung", sagte der Oppositionspolitiker der RNZ. Scholz lulle Bürger und vor allem die Soldaten mit falschen Versprechungen ein. Es drohe ein "böses Erwachen – für den Kanzler praktischerweise aber erst nach der nächsten Bundestagswahl".

Doch mehr Geld ist nicht alles. Pistorius will an die Strukturen seines Hauses ran und einen Mentalitätswandel einleiten. Denn die Bundeswehr sei nicht verteidigungsfähig – weder von der Ausstattung noch von der Denkweise. Am Freitag rechtfertigte Pistorius den Begriff der "Kriegstüchtigkeit", den er vergangene Woche erstmals erwähnt hatte. Er wisse, dass dies hart klinge und einige erschreckt habe. Doch der Krieg sei "zurück in Europa" und darauf müsse sich Deutschland einstellen. Dies sei die Zäsur der Zeitenwende nach Russlands Angriff auf die Ukraine.

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Sein Haus, den Bendlerblock, will Pistorius um 200 bis 300 Stellen verschlanken – ein Umbau, über den seit langem gemutmaßt wurde. Dazu sollen drei Unterabteilungen des Ministeriums aufgelöst werden. Stellen werden aus dem Ministerium in den nachgeordneten Bereich der Bundeswehr verlagert. Und mehr als 1000 Dienstposten – mehr als ein Drittel des Hauses – sollen intern umstrukturiert werden. Eine Mammutaufgabe. Auch die Strukturen der Truppe lässt Pistorius auf Funktionalität überprüfen. Bei der Reform solle es "keine Denkverbote" geben. Das hieße auch, bestehende Kommandos zu hinterfragen. "Betrachten Sie dies bitte als meinen klaren Marschbefehl", sagte er an die Generäle gerichtet.

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