Die verklärte Kaiserin

Nachwelt machte "Sisi" zum Mythos

Elisabeth von Österreich-Ungarn wurde vor 185 Jahren geboren. Entgegen der Darstellungen in Büchern und Filmen war ihr Leben jedoch rastlos und unglücklich.

24.12.2022 UPDATE: 24.12.2022 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden
Sisi auf dem bekanntesten Porträt, einem Ölgemälde von Franz Xaver Winterhalter. Foto: dpa

Von Michael Abschlag

Heidelberg. Die Kaiserin tanzt. Sie scherzt und lacht mit ihrem geliebten "Franzl". Sie streift durch die Natur und freut sich, wenn ihr Volk ihr zujubelt. Es sind Momente wie diese, mit denen Sissi, gespielt von Romy Schneider, in den 1950er Jahren die Herzen des deutschen Publikums erobert.

Sie lassen die Regentin zu einem Mythos werden – der auch heute noch anhält. Allein dieses Jahr erschienen unter anderem zwei Serien, ein Kinofilm und ein viel beachteter Roman über die einstige Kaiserin. Die originalen Sissi-Filme laufen um Weihnachten natürlich auch.

Dabei geraten andere, weniger märchenhafte Aspekte ihres Lebens oft in den Hintergrund: die unglückliche Ehe. Die Depressionen. Der manische Schönheitswahn. Und schließlich ihr tragischer Tod.

Geboren wird Elisabeth Amalie Eugenie, von ihren Schwestern "Sisi" (mit einem s) genannt, an Heiligabend 1837 in München, als Spross einer Nebenlinie der Wittelsbacher.

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Die Jugend am Starnberger See ist idyllisch, die Erziehung für damalige Verhältnisse ungewöhnlich liberal: Sisi und ihre drei Schwestern verbringen ihre Tage oft in der Natur, mit Reiten, Angeln und Schwimmen.

Als sie 16 ist, heiratet sie ihren Cousin, den 23-jährigen Kaiser Franz Joseph von Österreich. Obwohl sie eingewilligt hat, ist sie mit der Situation überfordert: Als sie in einer gläsernen Kutsche in Wien einzieht, weint sie. Nur zwei Wochen nach der Hochzeit schreibt sie in einem Gedicht: "Ich bin erwacht in einem Kerker."

Die Beziehung ist bald schon unglücklich. Die älteste Tochter stirbt noch als Kleinkind; der Sohn Rudolf (das dritte von vier Kindern) wird schließlich, vom strengen Regiment des Vaters zermürbt, gemeinsam mit seiner Geliebten Suizid begehen.

Die Eheleute entfremden sich schnell. Sisi sucht persönlich für ihren Mann eine Mätresse, auch ihr selbst werden Affären nachgesagt.

Am meisten leidet sie unter dem strikten Hofzeremoniell. Wann immer es geht, versucht sie ihm zu entkommen, unternimmt mit ihrem Hofstaat halsbrecherische Ausritte.

Eine Krankheit (wohl Tuberkulose) bietet die perfekte Ausrede für die Flucht aus Wien: Sisi reist durch halb Europa, nach Madeira, ins Osmanische Reich, nach Nordafrika. Sie raucht und dichtet, liest Goethe, Shakespeare und Heine, lernt Ungarisch, Alt- und Neugriechisch.

Ihr liebstes Reiseziel aber wird Korfu: Ein Vierteljahrhundert verbringt sie auf der Mittelmeerinsel, errichtet sich einen pompösen Palast mit 128 Räumen voller Büsten und Statuen – und lässt sich einen Anker auf die Schulter tätowieren.

Vor allem aber pflegt sie einen Sport- und Schönheitskult, der an Magersucht grenzt: Jeden Tag steht sie um 5 Uhr auf, nimmt ein kaltes Bad, turnt danach stundenlang an Reck, Barren und einer Sprossenwand. Dreimal täglich wiegt sie sich, 50 Kilogramm überschreitet sie nie.

Ihre politischen Ansichten sind liberal, offen sympathisiert sie mit den Ideen der Revolution von 1848. Selbst jedoch hält sie sich aus der Politik weitgehend heraus. Nur einmal gelingt ihr ein (allerdings wichtiger) Coup: 1867 setzt sie den Ausgleich mit Ungarn durch – fortan sind beide Reichshälften gleichberechtigt.

Es ist eine bittere Ironie, dass sie schließlich einem politisch motivierten Attentat zum Opfer fällt: Am 10. September 1898 wird sie in Genf von dem italienischen Anarchisten Luigi Lucheni ermordet. Ausgewählt hat er sie eher zufällig.

Ihr letzter Wunsch, auf Korfu beerdigt zu werden, wird nicht erfüllt. Stattdessen wird sie in Wien beigesetzt: nahe der verhassten Hofburg.