Baden-Württemberg

Bäder-Schließungen würden die Kinder "ausbaden"

DLRG-Präsident Flohr plädiert für eine Finanzspritze des Landes für Schwimmbäder.

08.07.2022 UPDATE: 08.07.2022 06:00 Uhr 2 Minuten, 54 Sekunden
Ein Mädchen nimmt am Schwimm-Intensivkurs teil. Diese Möglichkeit muss es nach DRLG-Ansicht auch in Zukunft noch geben. Foto: dpa
Interview
Interview
Armin Flohr
(53) Präsident des Landesverbandes Württemberg der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG)

Von Alexander Rechner

Stuttgart. Die steigenden Preise für Gas und Strom belasten auch die Kommunen. Sie müssen ihre Bäder beheizen. In Baden-Württemberg sind mindestens 45 Bäder von der Schließung bedroht. Dies geht aus einer in Stuttgart veröffentlichten Antwort des Innenministeriums auf eine Landtagsanfrage der SPD-Fraktion hervor. Armin Flohr (53), der seit 2016 ehrenamtlicher Präsident des Landesverbandes Württemberg der Deutschen Lebensrettungsgesellschaft (DLRG) ist, prognostiziert gravierende Folgen insbesondere für die Kinder, sollte es zu einem Aus mancher Bäder kommen.

Herr Flohr, wegen steigender Energiepreise sind in Baden-Württemberg laut Innenministerium mindestens 45 Bäder von der Schließung bedroht. Droht damit auch der Schwimmunterricht ins Wasser zu fallen?

Als DRLG sind wir von Bäderschließungen immer betroffen. Denn uns bricht damit eine wichtige Grundlage für die Schwimmausbildung weg. Schon während der Corona-Pandemie konnten pro Jahr rund 100.000 Schülerinnen und Schüler nicht geregelt im Schwimmen unterrichtet werden. Erst mit den großen Förderprogrammen des Landes im vergangenen Jahr konnten wir die negativen Folgen der Corona-Pandemie einigermaßen wieder revidieren. Nur: Im Herbst werden weitere rund 100.000 neue Abc-Schützen hinzukommen, die dann auch im Kraulen und Brustschwimmen unterrichtet werden sollen. Wenn nun im Herbst Bäder geschlossen wären, dann hätte das fatale Auswirkungen. Das Aus der Bäder ist wie ein weiterer Lockdown.

Wie kann das Land den Schwimmunterricht retten?

Auch interessant
Rhein-Neckar-Odenwald: Hier gibt es Badeseen und Freibäder
Baden-Württemberg: Mehr als 40 Bädern droht Schließung wegen hoher Energiekosten
Gas- und Personal-Engpässe: Noch keine dramatische Lage für Freibäder rund um Sinsheim

Nun rächt sich, dass Schwimmen nicht als Kulturgut anerkannt ist. Als DLRG fordern wir dies seit vielen Jahren. Schwimmbäder gehören zur Daseinsvorsorge. Genau dies haben weder der Bund, das Land noch die Kommunen in Baden-Württemberg umgesetzt. Das mag auch damit zusammenhängen, weil die Kommunen den Betrieb eines Schwimmbads immer noch als eine Freiwilligkeitsleistung ansehen. Und wenn die Städte und Gemeinden den Rotstift ansetzen müssen, dann sparen sie zunächst bei einer Freiwilligkeitsleistung. Gesamtgesellschaftlich hat dies weitreichende Folgen. Eine ordentliche Schwimmausbildung ist die beste Lebensversicherung für unsere Kinder. Deshalb plädieren wir für intelligente Lösungen.

Und wie können diese aussehen?

Kommunen, in denen es drei Bäder gibt, dort sollte dann eben eines geöffnet bleiben. Damit die Kinder im Schwimmen unterrichtet werden können. Aber um das klar zu sagen: Klare Prioritäten müssen herrschen, wenn wir das Gas rationieren müssen. Bewohner in einem Seniorenheim dürfen nicht frieren. Hier müssen Prioritäten gesetzt werden.

Aber in vielen Gemeinden gibt es keine drei Bäder. Was sollen diese denn dann machen, wenn die Kassen klamm sind?

Die Kinder dürfen die Krise nicht ausbaden. Deshalb plädieren wir als DLRG dafür die Bäder unbedingt geöffnet zu lassen. Natürlich sehe ich auch die globalen Folgen des Ukraine-Krieges und die Gasknappheit, aber alle Verantwortungsträger müssen nun genau das weitere Vorgehen abwägen und die Folgen bedenken. Aber keine Kommune sollte nun diese Krise zum Anlass nehmen, um sich von der Aufgabe des Badebetriebes trennen zu können.

Müssen wir uns nach möglichen Schließungen von mehreren Bädern auf eine höhere Quote der Nichtschwimmer einstellen?

Absolut. Es gibt erste Untersuchungen, die allerdings noch nicht belastbar sind. Diese aber deuten darauf hin, dass mit einem Lockdown die Anzahl der Nichtschwimmer steigt und damit leider auch die Zahl der Ertrunkenen oder schwer verletzten Kinder und Jugendlichen.

Manches Schwimmbad nennt sich heute Spaßbad. Was bringt es insbesondere jungen Menschen, wenn sie rutschen und springen, aber kaum noch schwimmen können?

Es bringt leider gar nichts. Es ist bedauerlich zu beobachten, dass neben Kindern auch Erwachsene immer häufiger nicht gut oder gar nicht schwimmen können. Und wenn die Eltern schon nicht schwimmen können, ist dies meist bei den Kindern auch der Fall.

Welchen Tipp haben Sie für Eltern, die dann vielleicht kein Schwimmbad mehr in der Nähe haben werden?

Die Eltern werden eine längere Anreise in Kauf nehmen müssen. Oder: Sie gehen an Gewässer, in den sie sich einerseits selbst sicher fühlen, andererseits eine Badeaufsicht vorhanden ist.

Wie ist die Situation bei Rettungsschwimmern im Land?

Corona war auch hier die Blaupause, für das, was noch auf uns zukommen wird. Im ehrenamtlichen wie im professionellen Bereich fehlen uns die Wasserflächen und die Menschen. Wir brauchen Jugendliche, die sowohl ehrenamtlich Rettungsschwimmerinnen und Rettungsschwimmer sein wollen als auch Nachwuchs bei den hauptamtlich Angestellten bei den Bäderbetrieben. Die Situation ist verheerend.

Welche konkreten Forderungen haben Sie an die Landespolitik?

Das Land soll den Erhalt der Bäder unterstützen, damit diese erhalten bleiben können Dann haben wir auch die Ausbildungsstätten für die Rettungsschwimmer. Und ich kann mich hier nur wiederholen: Schwimmbäder sollen keine Freiwilligkeitsleistung sein.

> Wo Sie überall in der Region ins kühle Nass eintauchen können, lesen Sie hier.