Apothekenmangel

Lauterbach will Vorgaben für neue Apotheken lockern

Die Gründung von Filialen soll nach Plänen des Ministers leichter werden. Der Verband übt scharfe Kritik.

28.09.2023 UPDATE: 28.09.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 58 Sekunden
Kann das Apothekensterben gestoppt werden? Kritiker werfen Lauterbach vor, ein bewährtes System zu „zerstören“. Foto: dpa

Von Sascha Meyer

Düsseldorf/Berlin. Im Kampf gegen Apothekenmangel in vielen Regionen will Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Vorgaben für neue Filialen lockern – und bekommt dafür empörte Proteste der Branche. "Ich glaube, dass diese Reform das Schrumpfen der Apotheken stoppen kann", sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in Berlin. Apothekerinnen und Apothekern solle die Möglichkeit gegeben werden, den Bedarf flexibler zu erfüllen.

So sollen Filialen künftig nicht gezwungen sein, Notdienste voll anzubieten, ein Labor vorzuhalten oder Rezepturen anzufertigen. Beim Apothekertag in Düsseldorf, wo er die Pläne per Videoschalte vorstellte, wurde Lauterbach ausgebuht.

Die Präsidentin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda), Gabriele Overwiening, kritisierte, als erster Minister sei Lauterbach offenbar bereit, "das Apothekensystem, das unsere Bevölkerung seit Jahrzehnten sicher versorgt, gänzlich zu zerstören". Erfahrungen anderer Länder zeigten, dass die angepeilten neuartigen Filialapotheken fast nur in stark frequentierten Lagen und in Stadtnähe gegründet würden. "Auf dem Land wird das Apothekensterben zunächst unbegrenzt weitergehen", sagte sie.

Noch schlimmer ist aber der Blick in die Zukunft: Für unseren pharmazeutischen Nachwuchs wird es immer uninteressanter, überhaupt eine Apotheke zu eröffnen. Die angehenden Apothekerinnen und Apotheker studieren nicht jahrelang, um nach dem Studium Schmalspur-Pharmazie in einer Abgabestelle zu betreiben. Der Verband kündigte an, im November einen "Protestmonat" zu organisieren. Vom 8. November an solle es jeden Mittwoch regionale Apotheken-Schließungen geben.

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Lauterbach rechtfertigte seine Pläne, wonach in Filialen künftig auch kein Apotheker mehr vor Ort sein muss. Als Vertretung könnten demnach pharmazeutisch-technische Assistenten Kunden bedienen, wenn eine digitale Verbindung zu einem Apotheker in der Hauptapotheke vorhanden ist. Wenn es Rückfragen gebe oder eine Apothekerberatung notwendig sei, könnte sie "telepharmazeutisch" vorgenommen werden.

"Es soll bei der Apotheke bleiben, die der Apotheker oder die Apothekerin besitzt und auch führt", sagte Lauterbach. Es sollten aber ein bis zwei zusätzliche Filialen zugelassen werden, sodass sie auch dort aufgebaut werden könnten, wo sonst keine neue Apotheke mehr entstünde. Das System solle liberaler und wirtschaftlicher werden. So könnten auch Notdienste mit Filialen abgestimmt werden, und man habe eine bessere Rund-um-die-Uhr-Betreuung, ohne dass es teurer werde. "Das sind auch Maßnahmen, mit denen wir verhindern wollen, dass die Apotheke der Zukunft die Versandhandelapotheke ist."

Die Zahl der Apotheken in Deutschland sinkt seit Jahren und fiel im Frühjahr unter die Marke von 18.000. Ende Juni gab es bundesweit noch 17.830 Apotheken. Damit ging die Zahl der Apotheken im Vergleich zum Jahresende 2022 um 238 zurück. Erfasst werden jeweils Hauptapotheken und Filialen, von denen Apotheker bis zu drei betreiben können. Die Branche forderte angesichts einer vielfach anspannten Finanzlage auch beim Apothekertag erneut lange ausgebliebene Honorar-Anhebungen.

Der FDP-Fachpolitiker Lars Lindemann sagte zu den neuen Plänen, dies seien "persönliche Gedankenspiele des Bundesgesundheitsministers". In der Koalition seien sie bisher nicht Gesprächsgegenstand gewesen. Es sei notwendig, sich zur Sicherstellung der Versorgung Möglichkeiten der Liberalisierung und Entbürokratisierung zu erarbeiten.

Mit Blick auf die Rufe nach Honoraranhebungen sagte SPD-Fraktionsvize Dagmar Schmidt, es brauche eine Reform der veralteten und hoch komplizierten Apothekenvergütung, die das Geld ungerecht verteile. "Es liegt an den Apotheken selbst, ob sie konstruktiv an einer Lösung für die kleinen, aber versorgungsrelevanten Apotheken mitarbeiten wollen", so Schmidt.

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