Von Petra Sorge, RNZ Berlin
Berlin. CDU-Politikerin Annette Widmann-Mauz (52) ist Vorsitzende der Frauenunion und Integrationsbeauftragte des Bundes.
Frau Widmann-Mauz, ein Jahrhundert Frauenwahlrecht. An der Spitze von fünf der sechs im Bundestag vertretenen Parteien stehen Frauen. Ein Grund zum Feiern, oder?
Ja, das war eine lange Strecke. In der CDU wurde mit Annegret Kamp-Karrenbauer jetzt eine Parteivorsitzende als Nachfolgerin einer Frau gewählt. Doch trotz aller Erfolge: 100 Jahre nach Einführung des aktiven und passiven Wahlrechts für alle müssen wir feststellen, dass die gleichberechtigte Teilhabe noch nicht erreicht wurde. Der Frauenanteil im Bundestag beträgt aktuell nur 30 Prozent. In manchen Landtagen und Kommunalparlamenten sieht es noch schlechter aus.
Es hat vier Jahrzehnte gedauert - bis 1990 - bis der Frauenanteil im Bundestag bei mehr als 20 Prozent lag. Müssen wir nochmal so lange warten, bis er von 30 Prozent auf die Hälfte steigt?
Das darf nicht sein. Wir müssen schnell in Richtung Parität kommen. Derzeit beraten die Bundestagsfraktionen eine Wahlrechtsreform, um den Deutschen Bundestag zu verkleinern. Für die Qualität der Arbeit des Bundestages ist aber nicht allein die Größe ausschlaggebend, Männer und Frauen müssen gleichermaßen vertreten sein. Das muss der Maßstab für weitere Überlegungen sein.
Aber würde es nicht gegen das freie Wahlrecht verstoßen, wenn man Parteien zwingt, Kandidatinnen aufzustellen?
Wir müssen sorgfältig und ernsthaft prüfen: Welche Instrumente und Regeln sind verfassungskonform? Änderungen im Parteiengesetz sind ebenso möglich, wie im Wahlrecht. Zunächst ist wichtig, dass die Parteien ihrer Verantwortung für ihre Listen und Mandate gerecht werden.
Frauen verdienen aber im Durchschnitt noch immer weniger als Männer. Das Entgelttransparenzgesetz hat kaum etwas verändert. Was lief falsch?
Das Entgelttransparenzgesetz war ein wichtiger Schritt, um gegen diese Ungleichbehandlung vorzugehen. Mitarbeiter können seitdem Einblick in die Gehaltsstruktur ihres Unternehmens verlangen. Es wird im Juli erstmals evaluiert. Diesen Bericht sollten wir abwarten und dann genau hinsehen, ob etwas verändert werden muss. Manchmal muss Politik aber auch nachjustieren oder mit Sanktionen drohen. Das haben wir bei der Quote für die Aufsichtsräte gesehen.
Die Quote hat zwar für Aufsichtsräte funktioniert. Aber sie schlägt nicht auf die Vorstände durch: Gerade mal 8,5 Prozent der Wirtschaftsvorstände sind weiblich ...
Die Einhaltung des Gesetzes ist keine Nebensächlichkeit, sondern wir meinen es ernst mit der Gleichberechtigung. Berichtspflichten dürfen nicht missachtet werden. Familienministerin Franziska Giffey (SPD) hat hierzu einen Gesetzentwurf angekündigt, das ist im Koalitionsvertrag so verabredet.