RNZ-Corona-Podcast - Folge 96

"In Hongkong ist die Omikron-Variante außer Kontrolle geraten"

In Deutschland ist Corona dagegen vermutlich auf dem Rückzug. Dennoch macht sich Uni-Chefvirologe Hans-Georg Kräusslich Sorgen um ältere Nicht-Geimpfte.

04.03.2022 UPDATE: 04.03.2022 16:00 Uhr 3 Minuten, 27 Sekunden
Patienten liegen auf Krankenbetten im provisorischen Wartebereich eines Krankenhauses in Hongkong. Wegen Platzmangels im Krankenhaus des Caritas Medical Centre bleiben die Patienten im Außenbereich. Hongkongs Regierungschefin teilte mit, dass eine Welle von Corona-Fällen die Notfallressourcen der Stadt überforderten. Foto: Alex Chan Tsz Yuk/dpa

Von Klaus Welzel

Heidelberg. Die Lage ist etwas entspannter, aber nicht sorglos. Auf diesen kurzen Nenner lässt sich Folge 96 des RNZ-Corona-Podcasts zusammenfassen. Was den Uni-Chefvirologen beunruhigt:

Prof. Kräusslich, vor einer Woche sprachen wir über die Betriebskrankenkasse BKK Provita, die mit Horrormeldungen über Impfnebenwirkungen aufgeschreckt hatte. Jetzt musste einer der Vorstände gehen. Ist die Sache damit aus Ihrer Sicht erledigt?

Es geht nicht darum, dass ein Vorstand ausscheidet. Wichtig ist vielmehr, dass es Widerspruch von vielen Seiten – nicht nur von mir – zur Aussage dieser Kasse gab. Es geht um die Sache, also um eine unbelegte und so nicht haltbare Aussage, die zur Verunsicherung der Menschen führt und der deswegen klar widersprochen werden muss.

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Hat die Kasse mittlerweile mehr Fakten geliefert?

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Es gab offensichtlich Gespräche mit einigen Medien, die darüber berichtet haben. Aber es liegen keine allgemein zugänglichen Informationen vor, die geprüft werden könnten.

Wie sieht das überhaupt aus mit Nebenwirkungen schwererer Natur? Ist hier die Zahl prozentual gestiegen, nachdem doch Milliarden Menschen geimpft worden sind?

Nein, der prozentuale Anteil von schweren Impfkomplikationen – dazu gehören die Venenthrombosen und Herzmuskelentzündungen – ist nicht angestiegen, die absolute Zahl natürlich schon. Wir haben ja jetzt einen Beobachtungszeitraum von einem guten Jahr und sehr viel mehr Impfungen. Neben diesen bekannten Komplikationen, gibt es auch Personen, die im zeitlichen Zusammenhang mit Impfungen über unterschiedliche und teilweise andauernde Symptome klagen, die schwer fassbar sind und nicht klar definiert sind.

Sterben Menschen an Impfungen?

Es gibt Todesfälle nach Impfungen und in Einzelfällen sind diese Todesfälle auch auf die Impfung zurückzuführen, meist aber nicht. So gab es Personen mit schwerer Herzerkrankung, bei denen nach der Impfung möglicherweise eine zusätzliche Schädigung des Herzens zum Tod geführt hat, ebenso nach den Sinusthrombosen. Das gibt es und die Information ist offen zugänglich, man darf es keinesfalls verschweigen. Aber natürlich sind auch Menschen nach einer Impfung gestorben, ohne dass dies etwas mit der Impfung zu tun hatte. Wenn ich heute eine sehr große Zahl von Menschen anrufe, wird es darunter einige geben, die innerhalb von drei Wochen versterben – nur lag das dann nicht am Anruf, sondern es ist ein zufälliges Zusammentreffen.

Wir blickten schon oft auf die Übersterblichkeit: Wie verlief der Winter?

Während der Delta-Welle im Spätherbst und Winter sind in allen Ländern mit hohen Infektionszahlen deutlich mehr Menschen gestorben als sonst. Mit Omikron ist es noch zu früh, um dies sicher zu beurteilen. Aber ich erwarte keine deutliche Übersterblichkeit.

Die Deltawelle reichte von Ende September bis Ende Dezember?

Die hohen Zahlen an Todesfällen gab es vor allem von November bis Januar, das kommt ja immer mit etwas Verzögerung, davor waren die Infektionszahlen niedrig.

Gab es vor allem mehr Coronatote – oder stieg die Sterblichkeit auch bezogen auf andere Faktoren?

Die Statistik weist auch insgesamt höhere Zahlen an Todesfällen aus. Woran das liegt, kann ich aber nicht sicher sagen.

Gefühlt befinden wir uns in einer Auslaufbewegung aus der Pandemie. Geben das auch die Zahlen her?

Heidelberg ist spät dran – wir haben bei Omikron aufgeholt; leider! Und wir sehen auch bundesweit im Moment keinen starken Abfall der Infektionszahlen. Wahrscheinlich liegt das daran, dass wir bei weiterhin hohen Infektionsraten die Maßnahmen reduziert haben. Das kann man bei Omikron auch vertreten, aber ich rechne damit, dass die Infektionszahlen erst nach Ostern sehr viel niedriger sein werden. Der Sommer dürfte entspannt bleiben, wenn keine neue problematische Variante auftritt.

Also ist Omikron an sich unproblematisch?

Nein, auf keinen Fall! Omikron ist weniger pathogen als Delta, das stimmt. Wenn wir uns aber anschauen, dass derzeit täglich bis zu 300 Personen mit oder an Corona sterben, dann ist das eine erhebliche Zahl. In der Regel sind dies ungeimpfte Personen. Wir haben immer noch viel zu viele Ältere und Menschen mit Grunderkrankungen, die nicht geimpft sind – und die sind eben auch sehr gefährdet, wenn sie sich mit Omikron infizieren. Das sehen wir auf den Intensivstationen.

Immer noch liegen etliche Patienten auf den Intensivstationen. Sind das alles Delta-Patienten oder auch welche mit Omikron?

Vor einigen Wochen war das vor allem Delta, jetzt nicht mehr. Inzwischen sehen wir mehr Omikron-Patienten im Intensivbereich. Omikron kam erst relativ spät nach Deutschland und schwere Verläufe sehen wir dann mit einigen Wochen Verzögerung; und wie gesagt in aller Regel bei Ungeimpften.

Es gibt aber auch Patienten mit anderen Erkrankungen?

Ja, es gibt auch Menschen mit anderer Grunderkrankung. Aber die Corona-bedingt schweren Fälle sehen wir vor allem bei Menschen, die nicht geimpft sind.

Was passiert eigentlich gerade in Hongkong und in China?

Hongkong hatte zwar eine etwas lockere Coronapolitik als China, aber immer noch sehr restriktiv. Jetzt meldet Hongkong eine Sieben-Tage-Inzidenz über 10.000, deutlich mehr als wir selbst in der Spitze der Welle hatten – und mehr als dort insgesamt in den zwei Jahren zuvor. Und dazu überfüllte Kliniken und steigende Todesfälle – übrigens auch dort mit Omikron. China selbst ist weniger betroffen, die Grenze zu Hongkong ist weitgehend geschlossen, in Hongkong werden die Infizierten streng isoliert. Möglicherweise ist der Ausbruch auf Hamsterinfektionen in Tierhandlungen zurückzuführen, dazu gibt es Berichte, aber gesichert ist es noch nicht.

Und das bedeutet?

Wir sehen dort, was passiert, wenn das sehr infektiöse Omikron mit zahlreichen Einträgen auf die wenig immune Bevölkerung einer Großstadt in beengter Lebenssituation trifft. Es gibt dort nur wenige Genesene und der dort eingesetzte Impfstoff schützt schlechter gegen Omikron als unsere mRNA-Impfstoffe. China wird das wohl kontrollieren können, aber in Hongkong ist es eindeutig außer Kontrolle. Man kann das gut erklären und es zeigt die immer noch bestehenden Risiken.

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