Von Klaus Welzel
Heidelberg. Hans-Georg Kräusslich (62) ist Sprecher des Zentrums für Infektiologie am Universitätsklinikum Heidelberg und zugleich Dekan der Medizinischen Fakultät. Zweimal die Woche spricht er mit der RNZ über die Corona-Pandemie (Foto: Rothe).
Heidelberg und der Rhein-Neckar-Kreis melden eine Verdopplungsrate von zehn Tagen bei Coronavirus-Neuinfizierungen: Ist das bereits ein Silberstreifen am Horizont?
Ja, das ist einerseits schon eine erfreuliche Entwicklung. Wir sehen in den letzten Tagen keinen Anstieg bei den Neuinfektionen, sondern gestern sogar erstmals einen leichten Trend zum Abfall der Zahlen. Neben dem Lichtblick sehen wir aber auch eine Bedrohung am Horizont: Die Tatsache, dass wir vermehrt, und wie auch in der Rhein-Neckar-Zeitung berichtet, in Alten- oder Pflegeheimen in der Region infizierte Personen in höherem Alter haben, sodass bei weiterer Ausbreitung möglicherweise in naher Zukunft mehr Schwererkrankte auf uns zukommen könnten. Insofern müssen wir alles dafür tun, dass gerade in Alten- und Pflegeheimen, aber auch in der Betreuung durch die mobile Altenpflege, die Infektionszahlen niedrig bleiben.
Sind Alten- und Pflegeheime auch besonders betroffen, weil es sich quasi um geschlossene Systeme handelt?
Prinzipiell ist immer in einem System, in dem Menschen in größeren Mengen enger zusammenleben, die Gefahr größer, als wenn man alleine in der Wohnung ist oder alleine spazieren geht, das ist klar. Die besondere Gefahr besteht aber in der Risikogruppe an sich. Ältere sind Menschen, die bei Infektion mit dem Virus häufiger ernsthaft erkranken.
Wie sieht es beim Klinikpersonal aus? Mussten Sie da mehr Erkrankungen feststellen, als bisher? Bundesweit sollen ja über 2300 Ärzte und Pfleger infiziert sein.
Wir sehen eine sehr geringe Anzahl von Infizierten bei Mitarbeitern. Wir testen in solchen Fällen, wo Symptome aufgetreten sind oder Risikokontakte festgestellt wurden. Diejenigen Mitarbeiter des Universitätsklinikums, die sich infiziert haben, haben sich meist anderswo infiziert, entweder als Reiserückkehrer oder in der häuslichen Gemeinschaft. Wir haben nur sehr wenige Mitarbeiter, die sich im Klinikum angesteckt haben könnten.
Wie hat sich die Zahl der Patienten entwickelt? Wird die neue Chirurgie auch wieder für Corona-Patienten genutzt?
Die Zahl der Patienten ist von Tag zu Tag schwankend; glücklicherweise entlassen wir jeden Tag geheilte Patienten. Andererseits kommen jeden Tag, jede Nacht neue Patienten dazu. Der Stand schwankt im Moment zwischen 25 bis etwas über 30 Patienten, die bei uns mit dieser Erkrankung stationär liegen. Wir haben in dieser Woche damit begonnen, stationär auch Patienten in den neuen Räumen der Chirurgie aufzunehmen.
Die Landesregierung verkündete, es würden keine weiteren Corona-Patienten aus dem Ausland in Landeskliniken aufgenommen. Ist das ein Anzeichen dafür, dass jetzt die vielen Patienten aufgenommen werden müssen, die sich vor 10, 14 Tagen infizierten?
Die Befürchtung, dass eine größere Zahl Schwerkranker auf uns zukommen könnte, steht natürlich im Raum, aber es ist schwierig, das zu projizieren. Wir sehen, wie gesagt, anhand der Neuinfektionen, dass wir das sehr wahrscheinlich abdecken können. Wir sehen aber in anderen Bereichen, in Baden-Württemberg ist es das Hohenlohesche Land, dass die Kliniken dort schon weitgehend voll sind und dass begonnen wird, von dort Patienten in andere Regionen zu verlegen. Es ist also offensichtlich so, dass es regional deutliche Unterschiede gibt.
Wir sprachen das letzte Mal darüber, dass nach Ostern eine Entscheidung getroffen werden wird, wie lange die Kontaktsperren und ähnliche Maßnahmen aufrechterhalten werden müssen. Sollte es sich bestätigen, dass der hiesige Raum schon in wenigen Tagen quasi über den Berg ist, rechnen Sie dann mit regionalen Lockerungen – zum Beispiel für Nordbaden?
Vorstellbar erscheint mir im Moment vieles. Ich sehe es aber als schwierig an, lokal unterschiedlich zu handeln – etwa, wenn man sagen würde, in Heidelberg lockern wir, in Eberbach nicht oder umgekehrt. Dass es regionale Unterschiede geben wird, davon gehe ich aus, weil zum Beispiel Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern völlig anders betroffen sind als Bayern und Baden-Württemberg. Ich nehme an, dass man länderspezifisch Unterschiede machen wird, aber eher nicht innerhalb eines Bundeslandes.
Jetzt steht ein schönes Frühlingswochenende bevor. In diesem Zusammenhang die Frage an den Privatmann Hans-Georg Kräusslich: Werden Sie am Wochenende spazieren gehen?
Natürlich werde ich spazieren gehen. Aber ich werde darauf achten, dass ich die speziellen Abstands- und Hygieneregeln dabei einhalte. Wir werden zu zweit spazieren gehen, vielleicht auf den Heiligenberg rauflaufen und die frische Luft genießen, weil das gut ist. Aber ich werde mich dabei an die entsprechenden Hygiene- und Abstandsregeln halten. Ganz sicher.
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