PKW-Maut-Desaster

"Das Geld ist futsch", sagt Cem Özdemir

Cem Özdemir über die Auswirkungen der gescheiterten Pkw-Maut und den Verkehr der Zukunft

23.07.2019 UPDATE: 24.07.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 5 Sekunden

Von Andreas Herholz, RNZ Berlin

Berlin. Drei Fragen an Cem Özdemir (Bündnis 90/Die GrünenF.: dpa), Vorsitzender des Verkehrsausschusses des Deutschen Bundestages.

Im Streit um die Pkw-Maut hat Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer auf die Forderungen der Opposition reagiert und die Verträge mit den Betreibern veröffentlicht. Welche Fragen muss der Verkehrsminister jetzt noch in der Sondersitzung des Verkehrsausschusses klären?

Ursprünglich ist der unsinnige Maut-Murks ja nicht von Andreas Scheuer, sondern von den Herren Dobrindt und Seehofer forciert worden. Aber spätestens mit der voreiligen Unterzeichnung der Verträge mit den Betreibern hat Andreas Scheuer den Möchtegern-Wahlkampfschlager der CSU aus dem Jahre 2013 zu seiner persönlichen Maut-Affäre gemacht. Mit seiner auf Hochglanz gebürsteten Transparenzkampagne tut Scheuer jetzt so, als wäre er an Aufklärung interessiert, aber die wichtigsten Fragen bleiben unbeantwortet. Wieso hat er im Jahr 2018 Verträge mit privaten Unternehmen abgeschlossen, obwohl er genauso gut das Urteil vom Europäischen Gerichtshof hätte abwarten können? Wieso hat er dieses enorme Risiko bewusst in Kauf genommen? Schließlich dürfte es auch in seinem Ministerium nun wirklich keine Neuigkeit gewesen sein, dass von allen Seiten erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der CSU-Maut bestanden.

Scheuer hat das nicht nur ignoriert, er ging sogar so weit, die fachliche Kompetenz des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zu beleidigen. Das geht so nicht und ich rate Herrn Scheuer dringend dazu, sein gestörtes Verhältnis zur Wissenschaft zu überprüfen. Am Ende hatten die Experten Recht behalten, nicht Andreas Scheuer: Die CSU-Maut war europarechtswidrig. Für Scheuers Ignoranz haften jetzt die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler.

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Mit welchen finanziellen Folgen und Schadensersatzforderungen rechnen Sie nach dem Aus für die Pkw-Maut?

Das ist die zweite Frage, auf die Scheuer spätestens in der Sondersitzung des Ausschusses Antworten geben muss. Die Bürgerinnen und Bürger haben jedes Recht darauf zu erfahren, was sie der unverantwortliche Mautmurks à la CSU am Ende kostet. Mit Sicherheit können wir bisher nur sagen, dass allein für die Vorbereitungen, also für externe Beratungen und Personal, bereits über 50 Millionen Euro draufgegangen sind. Das Geld ist futsch und das geht auf die Kappe der CSU. Was wir hingegen noch nicht wissen ist, in welcher Höhe mögliche Schadensersatzzahlungen ausfallen können. Die CSU-Maut ist die vielleicht teuerste Bierzeltparole der Welt.

Die Grünen wollen für den Klimaschutz Inlandsflüge bis 2035 überflüssig machen und Bahnfahren attraktiver. Wie genau soll das erreicht werden?

Wenn wir beim Klimaschutz im Verkehr vorankommen wollen, müssen wir den Menschen attraktive Alternativen zum eigenen Auto und zum Flugzeug bieten. Wir brauchen eine starke Schiene und müssen Bahnfahren zur Wahlmöglichkeit Nummer 1 machen. Konkret heißt das, dass wir die Fahrzeit zwischen möglichst vielen Fahrzielen im Inland sowie im benachbarten Ausland auf maximal vier Stunden senken wollen. Gleichzeitig wollen wir die Anschlüsse verbessern, um das Umsteigen massiv zu erleichtern. Das geht, wenn wir jetzt endlich massiv in den Ausbau des Netzes und die Engpässe investieren. Da müssen wir klotzen, nicht kleckern. Dafür brauchen wir drei Milliarden pro Jahr. Nicht zuletzt wollen wir Bahnfahren umgehend billiger machen, indem wir die Mehrwertsteuer auf 7 Prozent absenken. In einer Zeit, in der wir die Klimakrise überall spüren, ist es absurd, dass Bahnfahren oft teuer scheint als fliegen.