Ein Mann arbeitet in einer Mine im Kongo. Foto: picture alliance / Jürgen Bätz/dpa
Von Gernot Heller, RNZ Berlin
Berlin. Der großen Koalition steht neuer Ärger ins Haus. Anlass sind Pläne von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), deutsche Unternehmen gesetzlich dafür in Mithaftung zu nehmen, wenn deren Partner und Lieferanten in anderen Teilen der Welt ihre Beschäftigten unter menschenunwürdigen Bedingungen und abseits aller Umweltstandards arbeiten lassen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) allerdings hat Vorbehalte gegen ein solches "Lieferkettengesetz", weil es deutsche Firmen mitten in der größten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten zusätzlich belasten würde. Eine gesetzliche Regelung rückt näher, weil nicht einmal die Hälfte der deutschen Unternehmen laut einer Befragung unter Federführung des Auswärtigen Amts in erhofftem Maße die von Menschenrechts- und Sozialstandards in ihren weltweit verknüpften Lieferketten sicherstellen. Hintergründe:
> Heil und Müller drängen: Die große Koalition ist seit Längerem uneins bei diesem Thema. Heil, unterstützt von Müller, gab das Ziel aus, "dass wir in den nächsten Wochen im Kabinett eine Verständigung zu den Eckpunkten für ein solches Gesetz hinbekommen, möglichst im August, und dann in die Gesetzgebung eintreten". Es gebe schließlich eine klare Vereinbarung im Koalitionsvertrag, sagte er unserer Berliner Redaktion. Heil nannte es eine Frage der Glaubwürdigkeit für Deutschland, auf diesem Felde tätig zu werden, wenn man auch auf europäischer Ebene eine solche Regelung hinbekommen wolle. Zudem forderten auch etliche Firmen ein solches Gesetz. "Ich habe das Gefühl, dass viele Dachverbände den Kontakt zu ihren Mitgliedern verloren haben", sagte er mit Blick auf die Kritik der großen Wirtschaftsverbände. Müller nannte es enttäuschend, dass viele Firmen nicht genug für die Menschenrechte täten. Daraus folgerte er: "Zur Verwirklichung von Menschenrechtsstandards, die entlang der Lieferketten Kinderarbeit ausschließen und grundlegende ökologische und soziale Mindeststandards sichern, brauchen wir jetzt einen gesetzlichen Rahmen, so wie im Koalitionsvertrag festgelegt".
> Altmaier bleibt kritisch: Der Bundeswirtschaftsminister dagegen bleibt auf Abstand. "Schnellschüsse verbieten sich bei so wichtigen Themen wie diesem", ließ Altmaier über eine Sprecherin mitteilen. Für ihn ist Deutschland mit seinen Firmen Vorreiter in Sozial-, Arbeits- und Umweltstandards. "Dort, wo es noch Optimierungsbedarf gibt, werden wir gemeinsam mit der Wirtschaft und innerhalb der Bundesregierung Gespräche über mögliche weitere Maßnahmen und Schritte führen", kündigte er an. Ansonsten setzt er auf europäische Lösungen bei dem Thema.
> Wirtschaftsverbände sind sauer: Die großen Wirtschaftsverbände lehnen die Pläne fast einhellig ab. Sie zweifeln die Methodik der Unternehmensbefragung an, auf die sich Heil und Müller berufen. Der "diskutierten Idee der Einführung eines nationalen Sorgfaltspflichtengesetzes erteilen wir eine Absage", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Verbände BDA, BDI, DIHK und des Handelsverbandes HDE. Für sie geht es um eine unzumutbare Zusatzlast, und das inmitten der Corona-Krise. Deutsche Firmen für das Handeln Dritter, nämlich von Partnern in aller Welt, haftbar zu machen, widerspreche allen Regeln.
> Breites Bündnis für Gesetz: Gefordert wird ein Gesetz, das Kinderarbeit, Ausbeutung und Umweltfrevel in der Welt zurückdrängen soll, von großen zivilgesellschaftlichen Gruppen. Eine Initiative dazu besteht inzwischen aus 100 Verbänden, darunter viele aus dem kirchlichen und ökologischen Lager. Auch Verbraucherverbände stehen dahinter. Die Verbraucherzentrale Bundesverband twitterte: "Wenn die Mehrzahl der Unternehmen ihr Versprechen bricht, freiwillig gegen Ausbeutung und Umweltzerstörung vorzugehen, ist eine Verpflichtung per Gesetz die einzig logische Konsequenz".
> Ursprung:Grundlage der Debatte ist der Ende 2016 von der Bundesregierung beschlossene Nationale Aktionsplan (NAP) Wirtschaft und Menschenrechte. Darin werden deutsche Unternehmen im Rahmen eines UN-Prozesses in die Pflicht genommen, auf die Einhaltung von Menschenrechten entlang ihrer Liefer- und Wertschöpfungsketten zu achten. Es wurden konkrete Sorgfaltspflichten formuliert, um Fehlentwicklungen einzudämmen. Die Bundesregierung prüft seit 2018, wie weit diese Standards umgesetzt werden. Bis Mitte 2020 mindestens die Hälfte aller Unternehmen in Deutschland mit über 500 Beschäftigten zentrale Sorgfaltspflichten übernommen und erfüllt haben.