Anhänger der rechtsradikalen «Identitären Bewegung» in Berlin. Foto: Paul Zinken
Von Philipp Neumayr
Heidelberg. Der Rechtsextremismus in Deutschland ist so vielgestaltig wie nie. Nationalistische, rassistische oder totalitäre Weltanschauungen werden in verschiedenen Organisationsformen verfolgt – darunter Parteien, Vereine, Subkulturen, Medien und Einzelaktivisten. Eine dieser Formen ist die sogenannte Identitäre Bewegung. Woher sie kommt, wie sie funktioniert und was ihre Feindbilder sind:
Die Geschichte
Die "Identitäre Bewegung" entstand in Frankreich ("Bloc identitaire") und fand in mehreren Ländern Europas Anhänger. Die Gruppe spielt in der Selbstbezeichnung bewusst mit dem Identitätsbegriff (siehe auch: Ideologie). Hierzulande ist die Gruppierung seit 2012 bekannt. Zunächst trat sie vor allem im Internet auf, später auch analog, in Form von Flashmobs oder mit Transparenten und Flugblättern. 2014 gründete sich die "Identitäre Bewegung Deutschland" (IBD) als eingetragener Verein mit Sitz in Paderborn.
Die Struktur
Die IBD sieht sich selbst als außerparlamentarische patriotische Jugendbewegung, die "für die Werte Heimat, Freiheit und Tradition einsteht". Seit Januar 2020 wird sie von Philip Thaler angeführt, bekanntestes Gesicht ist aber der Österreicher Martin Sellner. Laut Verfassungsschutz umfasste die IBD im Jahr 2018 rund 600 Mitglieder oder Anhänger, 100 davon in Baden-Württemberg. Mittlerweile haben sich verschiedene regionale und lokale Untergruppen etabliert. Dazu gehören die Medienagentur "Okzident Media", die unter anderem Kurzfilme auf Youtube veröffentlicht, das Projekt "Schanze Eins", das Investoren und identitäre Projekte zusammenzubringen versucht, und die Unternehmergesellschaft "Kohorte", die unter dem Namen "Phalanx Europa" online Kleidung, Accessoires und Bücher vertreibt. Dennoch verlor die IBD zuletzt an Dynamik. So schreibt der Verfassungsschutz in seinem Bericht von 2019: Ein signifikanter Ausbau der Organisationsstrukturen sowie eine weitere Steigerung des Aktivitätsniveaus seien nicht zu konstatieren.
Die Strategie
Eine Besonderheit der "Identitären Bewegung" ist es, dass sie von klassischen politischen Mustern der extremen Rechten Abstand nimmt. Stattdessen greift sie popkulturelle sowie jugendkulturelle Elemente auf. Nicht umsonst werden die "Identitären" auch "Nazi-Hipster" genannt. Ihre Strategie zielt darauf ab, mit kleinen Aktionen große Aufmerksamkeit zu erhalten. Laut Verfassungsschutz bringt die IBD die Erzählung einer "Gegenkultur" bewusst in den öffentlichen Diskurs ein – durch Forderungen wie "Remigration" oder die Theorie des "Großen Austauschs". Dieser Begriffe bedient sich heute auch die AfD. Grundsätzlich nutzen die "Identitären" digitale Plattformen wie Twitter, Facebook, Instagram oder Youtube, um Videos, Bilder und Berichte zu streuen. Inzwischen haben Twitter und Youtube aber mehrere Profile der Gruppierung gesperrt. Anders sieht es bei Messenger-Diensten wie Telegram aus. Sie dienen Mitgliedern und Sympathisanten nach wie vor zur Kommunikation und Vernetzung.
Die Ideologie
Die IBD bekennt sich zum Konzept des Ethnopluralismus, deren Vertreter Staaten anstreben, die sowohl kulturell als auch ethnisch einheitlich sind. Demnach ist die ethnische Herkunft allein bestimmend für die Zugehörigkeit zum deutschen Staat und Gesellschaft, was Menschen mit außereuropäischer Herkunft ausschließt und diskriminiert. Die Positionen der IBD sind dem Verfassungsschutz zufolge nicht mit dem Grundgesetz vereinbar.
Die Feindbilder
Die "Identitären" haben allgemein drei Feindbilder. Zunächst der politische Liberalismus in Form der egalitären Gesellschaft, also die Vorstellung, dass alle Menschen gleichwertig sind. Das zweite Feindbild ist der Multikulturalismus – die Tatsache, dass moderne Gesellschaften vielgestaltiger werden beziehungsweise dass dies politisch und sozial angestrebt wird. Und das dritte Feindbild der "Identitären": die Gleichstellung der Geschlechter, in der sie eine künstliche "Geschlechter-Gleichmacherei" sehen.