Protestaktion vor dem Bundeskanzleramt: Aktivisten von Greenpeace demonstrieren mit Plakaten gegen Billigfleisch und die Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie. Foto: dpa
Von Andreas Herholz, RNZ Berlin
Berlin. Es sei nun "Zeit aufzuräumen" und "Schluss zu machen mit dem System der "Sub-Sub-Sub-Unternehmen", kündigt Arbeitsminister Hubertus Heil gestern an und sagt den Verstößen gegen den Arbeits- und Gesundheitsschutz in der Fleischindustrie den Kampf an. Jetzt sollen die Vorschriften zum Arbeitsschutz in den Schlachthöfen deutlich verschärft werden.
Das Bundeskabinett beschloss ein entsprechendes Eckpunktepapier, das jetzt als Grundlage für eine gesetzliche Regelung dienen soll. Danach ist ab 1. Januar 2021 ein Verbot von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassungen geplant. Schlachtungen und Fleischverarbeitung sollen dann nur noch von Abgestellten des eigenen Betriebes möglich sein. Bei Verstößen droht ein hohes Bußgeld von bis zu 30.000 Euro.
Für ein Geschäftsmodell, das die Ausbeutung und die Ausbreitung von Pandemien in Kauf nehme, könne es in Deutschland keine Toleranz geben, will SPD-Politiker Heil jetzt hart durchgreifen. Kleine Handwerksbetriebe sollen von der Regelung ausgenommen bleiben. "Es geht nicht um die kleine Schlachterei auf dem Land", stellte Arbeitsminister Hubertus Heil gestern klar.
In mehreren Fleischbetrieben hatten sich zuletzt viele Leiharbeiter mit dem Coronavirus angesteckt. Die Ursache für die Infektionsherde liegt offenbar in den schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen der Beschäftigten, die überwiegend aus Osteuropa kommen und in engen Sammelunterkünften leben. Oft undurchschaubare Vertragsstrukturen mit Subuntnernehmern seien die "Wurzel des Übels", hatte der Arbeitsminister beklagt.
Mit den umstrittenen Werkverträgen können Unternehmen Arbeitsleistungen bei anderen Firmen flexibel einkaufen. Die Bundesregierung zieht jetzt Konsequenzen. Das seien Zustände, die nicht nur die Beschäftigen, sondern auch die Bevölkerung gefährdeten, so der SPD-Politiker. Es gelte, die Würde und die Gesundheit von Beschäftigten zu schützen, "egal wo sie herkommen".
Heils Ziel: Die Betriebe sollen Werk- und Leiharbeiter, die bis zu 80 Prozent der Belegschaft ausmachen, künftig fest anstellen. Werkverträge sollen dann in der Branche nicht mehr möglich sein. Der Arbeitsminister will auch die Kontrollen der Arbeitsbedingungen und des Gesundheitsschutzes massiv verstärken. "Die schärfsten Maßnahmen wirken nicht, wenn sie nicht kontrolliert werden", erklärte er.
Auch Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner sieht Handlungsbedarf: "Es gibt Zustände in der Fleischindustrie, die sind nicht haltbar. Die Betriebe müssen Verantwortung für ihre Arbeitnehmer übernehmen", forderte sie. Die Branche könne diese nicht einfach auslagern und sich hinter Subunternehmen wegducken.
Die Fleischindustrie protestiert heftig gegen die Pläne der Regierung. Das Verbot von Werksverträgen sei eine "willkürliche Diskriminierung". Es bleibe abzuwarten, ob eine solche Regelung juristischen Bestand haben werde, kritisiert der Verband der Fleischwirtschaft und prüft eine Verfassungsklage.
Schon drohen Konzerne mit der Abwanderung ins Ausland und dem Verlust von Arbeitsplätzen. In der Branche gibt es rund 200.000 Beschäftigte. Der nordrhein-westfälische Fleischunternehmer Clemens Tönnies hat die Bundesregierung vor einem Verbot von Werkverträgen gewarnt. Dies hätte massive negative Auswirkungen auf die Agrarwirtschaft, schrieb er in einem Brief an Bundesarbeitsminister Heil und plädierte für eine generelle Reform des Systems der Werkverträge in der deutschen Wirtschaft. Tönnies sprach sich zudem für einen Branchenmindestlohn von 12 Euro pro Stunde und für "eine menschenwürdige und wirtschaftlich faire Unterbringung aller Beschäftigten aus".