Von Daniel Bräuer
Heidelberg. Die Fördersätze beim Bafög sollen kräftig stiegen, um 17 Prozent auf bis zu 861 Euro im Monat. So sieht es die Novelle von Wissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) vor, über die der Bundestag am Freitag abstimmt. Die Freibeträge beim Elterneinkommen steigen in drei Stufen von heute 1715 auf 2000 Euro im Jahr 2021. Im Ergebnis könnten deutlich mehr Studenten als bisher die Förderung beantragen. Auch bei der Rückzahlung soll es Erleichterungen geben.
Jens Brandenburg, hochschulpolitischer Sprecher der FDP, wird sich wohl enthalten, wie er im Gespräch mit der RNZ andeutet. Zwar sei die Anpassung an die Inflation längst überfällig, sagt der Abgeordnete aus dem Wahlkreis Rhein-Neckar.
"Die große Mitte der Studierenden, die im Moment beim Bafög komplett durchs Raster fallen, die erreicht Frau Karliczek mit dieser Reform nicht." Brandenburg schlägt ein neuartiges Baukastenmodell vor: 200 Euro Zuschuss für jeden Studenten, weitere 200 für alle, die zehn Stunden pro Woche arbeiten. Für alles weitere könnte es als dritten Baustein weiterhin zinslose Darlehen geben.
Herr Brandenburg, warum wollen Sie jedem Studenten bis zu 400 Euro im Monat schenken?
Es geht nicht um ein Geschenk, sondern um Studienförderung. Wir wollen sicherstellen, dass jeder, der ein Studium aufnehmen möchte, auch finanziell die Möglichkeiten dazu hat.
Das ist bislang nicht so?
Nein. Ein Großteil der Studierenden wird vom Bafög nicht erreicht und hat gleichzeitig enorme finanzielle Probleme. Das ist die Gruppe, deren Eltern zuviel fürs Bafög verdienen, tatsächlich aber zu wenig, um den vollen Unterhalt zu zahlen.
Ihr Modell sieht vor: 200 Euro Zuschuss als Sockelbetrag für alle, weitere 200 Euro unter bestimmen Voraussetzungen. Welche sind das?
Der Sockel entspricht in der Höhe dem bisherigen Kindergeld für Kinder im Studium. Der Unterschied ist, dass es direkt an die Studierenden ausgezahlt wird. Der zweite Baustein von 200 Euro soll die vielen Studierenden unterstützen, die bisher weit mehr als zehn Stunden in der Woche arbeiten müssen, und ihnen ermöglichen, sich mehr aufs Studium zu konzentrieren. Voraussetzung ist, dass man in der Größenordnung zehn Wochenstunden einer Nebentätigkeit oder einem Ehrenamt nachgeht, oder auch Angehörige pflegt oder selbst Kinder erzieht.
Das klingt nach viel Papierkram bei den Nachweisen. Wird Bafög dadurch komplizierter?
Im Gegenteil! Wir können auf ganz viele Nachweise verzichten wie Einkommensnachweise der Eltern, Vermögensverhältnisse der Geschwister und so weiter. Unser Modell ist so einfach: Man braucht eigentlich nur die Immatrikulationsbescheinigung, und wenn man den Zuschuss beantragen möchte, eine Kopie des Arbeitsvertrags oder der Ehrenamtsbescheinigung. Das wäre in einer App mit wenigen Klicks möglich und würde auch die Bearbeitung deutlich beschleunigen.
Bislang gehörte die Gießkanne nicht zum Markenkern der FDP.
Das ist keine Gießkannenmethode, sondern ein sehr zielgenaues Modell. Wir wollen die unterstützen, die auf umfangreiche Nebenjobs angewiesen sind.
Auch mit reichen Eltern gäbe es den 200-Euro-Zuschuss. Ist das zielgenau?
Bei sehr hohen Einkommen bekommen diese Eltern ja heute schon mehr als die 200 Euro durch den Kinderfreibetrag. Stattdessen bekämen die Kinder künftig den Sockel von 200 Euro - und den weiteren Zuschuss nur dann, wenn sie tatsächlich auf umfangreichere Nebenjobs angewiesen sind. Das ist sehr zielgenau. Am Ende nützt einem das elterliche Vermögen reichlich wenig, wenn sie meinen, man solle lieber Medizin als Sozialpädagogik studieren.
Sie entlassen also die Eltern aus der Unterhaltspflicht und streichen Ihnen dafür den Freibetrag?
Genau, das ist ein Systemwechsel. Erwachsene Studierende sind eigenständige Persönlichkeiten und nicht Anhängsel einer elterlichen Bedarfsgemeinschaft. Wir stellen das Individuum in den Vordergrund.
Selbst wenn es für die Eltern auf eine verkappte Steuererhöhung bedeutet?
Es gibt keinen Grund, Studierende unterschiedlich zu behandeln, nur weil nicht-unterhaltspflichtige Eltern unterschiedliche Einkommen haben.
Was gab es bisher für Reaktionen auf Ihr Konzept?
Viele Nachfragen vor allem, weil es ein innovatives Modell ist, das bisher wenig bekannt ist. Die Debatte ist ja sehr festgefahren zwischen den Trippelschritten der GroKo, die nichts anderes macht als einen Inflationsausgleich alle paar Jahre, und den illusionären Forderungen nach einem bedingungslosen Grundeinkommen, das viele Milliarden Euro im Jahr kosten würde, also nie umgesetzt würde.
Am Freitag steht zunächst mal doch wieder eine Bafög-Reform der Koalition an. Mehr Geld, mehr Empfänger - auch nicht ganz falsch, oder?
Es ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber ein viel zu kleiner. Aber die große Strukturreform bleibt aus.
Stimmen Sie dennoch zu?
Wir werden das sicher nicht ablehnen, da kein Inflationsausgleich auch keine Lösung ist. Der Zustimmung würde ich mich aber auch nicht anschließen. Die große Mitte der Studierenden, die im Moment beim Bafög komplett durchs Raster fallen, die erreicht Frau Karliczek mit dieser Reform nicht.