Universität Mannheim

Habeck und Kretschmann diskutieren über richtiges Tempo beim Klimaschutz

Auch Umwege führen ans Ziel: Bei einer Tagung wurde auch über die Ernährung viel gesprochen.

23.10.2023 UPDATE: 23.10.2023 06:00 Uhr 1 Minute, 59 Sekunden
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (v.l.), Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Thomas Puhl, Rektor der Uni Mannheim, am Samstag in Mannheim. Foto: dpa

Von Daniel Bräuer

Mannheim. Warum isst Robert Habeck eigentlich noch Fleisch? Warum Winfried Kretschmann? Wo doch alle wissen, dass Fleischproduktion dem Klima schadet und Baden-Württemberg und Deutschland auf bestem Weg sind, ihre eigenen Klimaziele und die des Pariser Abkommens krachend zu verfehlen?

Es ist Samstagnachmittag in der Aula der Uni Mannheim. Das Staatsministerium hat zu einer Tagung geladen um auszuloten, wie die Gesellschaft den Schritt in eine klimaneutrale Zukunft schafft, ohne auseinanderzubrechen. Und auf dem Podium bekennt Hedwig Richter, Professorin für Zeitgeschichte aus München, ihre Ungeduld. Warum, also, ist Cem Özdemir der einzige vegetarische Spitzengrüne?

Der Landesvater findet schon die Frage "übergriffig". Für sein Essen werde er sich nicht rechtfertigen – was dem taz-Chefreporter Peter Unfried als Moderator die Spitze entlockt, bei den Grünen sei der Satz "Das Private ist politisch" also kein Konsens mehr.

Einmal die Woche Fleisch, daran sei gar nichts auszusetzen, so Kretschmann. Vorausgesetzt, es stammt nicht aus Überweidung oder Massenaufzucht, sagt er. Und kommt von Rind und Schwein zum Grundsätzlichen: "Die Moderne ist dadurch attraktiv geworden, dass die Obrigkeit sich nicht mehr in die persönliche Lebensführung einmischen kann", mahnt er. "Die Balance zu halten ist eine große Herausforderung."

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Wie weit, vor allem wie schnell muss Klima- und Energiepolitik gehen, um die Leute nicht zu überfordern? Das ist das übergreifende Thema auf dem abschließenden Podium. Habeck, Bundesminister für Wirtschaft und Klima, verteidigt sein umstrittenes Gebäudeenergiegesetz. "Das hat Kraft und politisches Kapital gekostet, ist aber kein Zeichen des Scheiterns von Klimaschutz", betont er. Auch wenn es im Laufe der hitzigen Debatte darum etwa ein Viertel an Wirksamkeit eingebüßt habe. Der Einstieg in die Energiewende werde nun also sanfter, dafür müsse man später noch mehr aufholen. "Auch Umwege führen ans Ziel", pflichtet Kretschmann bei. Und das sogar schneller als ein direkter, der verstellt ist. Richter, die sich als enttäuschte Stammwählerin der Grünen bezeichnet, ist das nicht genug. "Man braucht nicht bei jedem Schritt eine Mehrheit", hält sie den Herren in Grün entgegen. Politiker, die wie SPD-Kanzler Willy Brandt eine große Vision hatten, hätten diese auch gegen Mehrheiten durchgesetzt und damit überzeugt. "Demokratie ist nicht Demoskopie."

"Wir können denksportlich immer radikaler werden", sagt Habeck. "Aber es gibt den Punkt, an dem eine übergroße Mehrheit sagt: ,Wir kommen nicht mehr mit.‘" Im Klartext heißt das: Für diese Legislatur war es das mit den großen Klimaschutzvorhaben. Bei der Wahl 2025 könne schon wieder eine positivere Stimmung herrschen – das Stromnetz gesichert, die Preise gesunken, alles nochmal irgendwie gut gegangen. "Dann kann man die nächsten Schritte gehen", so Habeck. "Was ist gewonnen, wenn man ein Jahr die radikalste Politik macht – wenn man sie richtig findet – und danach gar keine Politik mehr möglich ist?" Im kommenden Jahr sind drei Landtagswahlen im Osten; die AfD könnte jeweils stärkste Kraft werden. "Wo soll das hinführen?", so Habeck.

"Wir brauchen Mehrheiten, eben damit keine Ausgrenzung entsteht", assistiert Parteiurgestein Kretschmann. Mit dem Slogan "Wir reden vom Wetter" hätten die Grünen 1990 thematisch Recht gehabt. Doch flogen sie damit aus dem Bundestag. Viel verlorene Zeit. "Der Souverän ist nunmal eine launische Diva", so Kretschmann. "Das muss man schon berücksichtigen."

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