Zurück mit neuem Album (v.l.): Andreas Nowak, Stefanie Kloß, Johannes Stolle und Thomas Stolle. Foto: dpa
Die Band Silbermond versteht sich auf emotionale Songs über Persönliches und Gesellschaftliches. Ihr aktuelles Album "Schritte" ist der Versuch, sich musikalisch neu zu orientieren, ohne den Markenkern zu verlieren. RNZett-Autor Olaf Neumann traf Sängerin Stefanie Kloß und Schlagzeuger Andreas Nowak in Berlin.
Frau Kloß, Herr Nowak, Ihr neues Album "Schritte" ist unter anderem in Südfrankreich entstanden. Wie war es, in dieser Umgebung zu arbeiten?
Andreas Nowak: Für Frankreich haben wir uns entschieden, weil das Studio dort so viele Möglichkeiten bietet, den Sound hinzubekommen, den wir angestrebt haben. Dort kann man intensiv arbeiten, weil es keine Ablenkung gibt. Frankreich war für uns eine seelische Oase.
Stefanie Kloß: Mit "Leichtes Gepäck" hat sich die Band ihr Selbstbewusstsein zurückgeholt. Die Platte fühlte sich für uns absolut homogen und gut an. Uns war klar, dass wir diesen Grundsound beibehalten wollen. Nicht so klar war, wie die Erneuerung aussehen sollte. Und dann kamen die Trompete, die Ukelele, die Mandoline dazu. Dafür war das Studio in Frankreich ideal. Es gibt nicht mehr viele Bands, die ihre Songs im Probenraum gemeinsam erarbeiten und wirklich noch zusammen spielen. Die sich gegenseitig auf den Kopf hauen und sich gleichzeitig für ihre Ideen voll abfeiern.
Wie sieht bei Ihnen ein kreativer Streit aus?
Kloß: Ich bin nicht gut darin, Kritik zu üben, ich bin sehr holterdiepolter. Aber ich reagiere sehr emotional, wenn jemand etwas an mir beanstandet. Einmal hat Nowi mich ganz lieb kritisiert, und trotzdem hat es mich sehr verletzt, weil ich möchte, dass wir uns gefallen. Man muss sich schon ein dickes Fell zulegen.
In "Träum ja nur (Hippies)" plädieren Sie dafür, sich den Traum von einer besseren Welt nicht ausreden zu lassen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass Begriffe wie "Homophober" oder "Rassist" einmal der Vergangenheit angehören werden?
Kloß: Eigentlich dachten wir, über einige Dinge längst hinweg zu sein. Und dann kommt doch wieder so ein Trump oder so ein Höcke. Natürlich wird es nie so sein wie in dem Song, aber er wärmt mich einfach für den Moment. Wenn wir uns nicht mal trauen zu träumen, können wir ja gleich alles an den Nagel hängen. Bei so einer großen Utopie ist es sehr wahrscheinlich, dass die Gesellschaft wenigstens ein paar Schritte in diese Richtung geht.
Spielt das politische Geschehen eine Rolle, wenn Sie Songs schreiben?
Kloß: Ich beschäftige mich nicht jeden Tag mit Nachrichten und Zusammenhängen, weshalb es mir manchmal schwer fällt, mir eine Meinung zu bilden. Mir hat es sehr geholfen, mich mit Menschen darüber zu unterhalten, wie sie Dinge sehen und einordnen. Daran bin ich gewachsen. Ansonsten lassen wir uns beim Schreiben sehr vom Gefühl leiten und schauen dann, ob es bei anderen auch so ankommt.
In dem Song "Mein Osten" werfen Sie einen kritischen Blick auf Ihre Heimatregion. Herrscht im Osten Demokratieverdruss?
Nowak: In meiner Familie ist die Demokratie total angekommen, aber ich habe Bekannte, die manchmal komische Kommentare von sich geben. Ich habe mich mit einem Physiker über den weltweiten Rechtspopulismus unterhalten. Er meinte, das habe viel mit dem Internet zu tun. Viele kommen mit der Globalisierung durch das Netz nicht klar. Sie lesen nur Überschriften und bekommen sofort Angst. Ich finde, Facebook hat die Verantwortung, dass die Leute auch andere Meinungen zu lesen bekommen.
Kloß: Man muss dabei auch die Geschichte dieses Teils unseres Landes betrachten. Meine Mutter hatte Tränen in den Augen, als ich ihr "Mein Osten" vorspielte. Sie fühlte sich wirklich verstanden. Zu behaupten, die Menschen im Osten wüssten nicht, wie Demokratie funktioniert, ist zu kurz gedacht. Man muss sich einzelne Biografien anhören und nicht alles über einen Kamm scheren. Für die Ostdeutschen hat sich seit der Wende wesentlich mehr verändert als für die Menschen im Westen. Wir sind sehr dankbar für die Wiedervereinigung, aber da ist immer noch eine offene Wunde, die man pflegen muss. Vielleicht wählen manche ja aus Trotz, Frust oder Überforderung eine Partei, die sie tief im Herzen gar nicht gut finden. Vielleicht wollen sie damit ein Zeichen setzen, damit sich hier überhaupt etwas bewegt.
Sprechen Sie als Band darüber, warum Sie eigentlich Musik machen?
Kloß: Diese Momente gibt es bei uns sehr oft. Warum machen wir den Scheiß hier eigentlich? Ich glaube, es ist unsere Aufgabe als Musiker, Platten aufzunehmen. Das ist unser Baby, um das wir uns kümmern. Es wird mit jedem Album älter und guckt sich die Welt neu an. Natürlich tut es auch weh, sich so zu öffnen. Aber ich habe ein Urvertrauen in das ehrliche Musikmachen. Ich glaube daran, dass irgendetwas zurückkommt.
Info: "Schritte" heißt das neue Album von Silbermond. Am 27. Januar gastiert die Band damit in der Mannheimer SAP-Arena. RNZ-Ticketshop; ab 42,50 Euro.