Ein unschätzbarer Schatz von kunst- und kulturgeschichtlicher Bedeutung: Das Tafelsilber der Kurfürstin wird im Kurpfälzischen Museum stilgerecht präsentiert. Foto: KMH
Von Karin Tebbe
Heidelberg. Kulinarischer Genuss und Tafelkultur erfreuen nicht nur den Gaumen, sondern auch das Auge. Geschmackssinn und optische Verführung durch kunstvoll angerichtete Speisen und edle Service gehören naturgemäß zusammen. Das Kurpfälzische Museum der Stadt Heidelberg besitzt mit dem umfangreichen Tafelsilber der Kurfürstin Elisabeth Auguste ein einzigartiges Ensemble, das dauerhaft in den historischen Räumlichkeiten des Hauses zu sehen ist. Die verschwenderische Fülle des Tafelsilbers kombiniert mit wertvollem Porzellan aus der Manufaktur Frankenthal zeugt vom höfischen Leben im 18. Jahrhundert.
Infolge des abgekühlten Verhältnisses zu ihrem Ehemann Kurfürst Carl Theodor und der Verlegung der Residenz nach München, bewohnte Elisabeth Auguste das Schloss in Oggersheim. Das Service war Bestandteil ihrer prunkvollen Hofhaltung und übertraf die Schwetzinger Sommerresidenz an Pracht. Es wurde in den Jahren 1767 bis 1772 in Straßburg von den namhaften Goldschmieden Jean Louis III Imlin (1722-1768), Jean Henri Oertel (1717-1796) und Jacques Henri Albert (1730-1795) hergestellt.
Die Gießgarnitur aus dem Tafelsilber zeigt die kunstvolle Verarbeitung der einzelnen Teile. Foto: KMHDas Tafelsilber bildete den repräsentativen Rahmen höfischer Festmähler. Ein Inventar aus dem Oggersheimer Schloss von 1769 gibt präzise Auskunft über die damals vorhandenen Teile. Die Quelle belegt, dass das Service ursprünglich noch umfangreicher war. Aktuell gehören zahlreiche Speiseteller, Servierplatten, Wärmeglocken, ein Paar Weinkühler, zweiarmige Tafelleuchter, ein Paar Kasserollen und eine prunkvolle Gießgarnitur mit Kanne und Becken dazu. Letztere diente der ranghöchsten Person am Tisch zur Handwaschung.
Die im 18. Jahrhundert übliche Art, Speisen aufzutragen, war nicht nur bei Hofe der Service à la Française. Das Essen wurde in mehreren Gängen serviert, die jeweils zahlreiche verschiedene Gerichte umfassten. Den Auftakt bildete eine reichhaltige Suppe, die "olla podrida". Den Abschluss bildete das kunstvoll angerichtete Dessert, das von Porzellantellern eingenommen wurde. Bevor die Gäste ihren Platz einnahmen, wurde der Tisch nach einem vorher gezeichneten Plan eingedeckt. Die Zahl der Platten und die symmetrische Anordnung wurden während des Diners beibehalten. Jede abgetragene Platte wurde durch eine neue gefüllte ersetzt. Wenn etwa beim ersten Gang sechs oder acht Vorspeisen gereicht wurden, so musste der zweite Gang eine entsprechende Anzahl von Gerichten aufweisen, da eine abweichende Zahl von Platten die Symmetrie der gedeckten Tafel gestört hätte. Opulente Gerichte wie große Braten wurden nach der Präsentation wieder vom Tisch genommen, auf Nebentischen von der Dienerschaft tranchiert und den Speisenden dann vorgelegt. Von den kleineren Platten bedienten die Tafelgäste sich selbst.
Der Ankauf des Silbers für das Kurpfälzische Museum gelang 2001-2002 mit vereinten Kräften: Unternehmer aus der Region, private Spender und der Freundeskreis des Museums waren am Erwerb beteiligt. Den größten Anteil finanzierte jedoch der Bund über die Kulturstiftung der Länder. Einige Leuchter, Serviertabletts und Wärmeglocken kamen später hinzu, sodass der Bestand auf aktuell 78 Teile erweitert werden konnte. Alle Teile tragen das gravierte Monogramm ihrer ehemaligen Besitzerin.
Der unschätzbare kunst- und kulturhistorische Wert wird deutlich, wenn man bedenkt, dass das kurfürstlich-wittelsbachische Silber Ende des 18. Jahrhunderts in München nahezu vollständig eingeschmolzen wurde, um die Napoleonischen Kriege zu finanzieren. Ähnliches passierte mit Silbergeräten auch an anderen Orten. Beim Tafelsilber der Elisabeth Auguste handelt es sich zweifellos um ein in Umfang, Qualität und Erhaltungszustand einzigartiges Ensemble. Als Privatbesitz der Kurfürstin und ihrer Erben blieb es von Einschmelzungen verschont und überdauerte so zahlreiche Krisen und Kriege.
Info: Die Autorin Karin Tebbe ist Leiterin der Abteilung Kunsthandwerk und stellvertretende Direktorin des Kurpfälzischen Museums Heidelberg.