Von Frauke Gans
Die Coronaquarantäne und Weihnachten haben eines gemeinsam: In den Monaten danach werden vermehrt Tiere abgeschoben und ausgesetzt. Zu Heiligabend einen Hund mit Schleife neben neuem Spielzeug oder auch in der Quarantäne gegen Langeweile gekauft, wissen die Halter hinterher oft nichts mit ihm anzufangen. Dr. Moira Gerlach, Referentin für Heimtiere beim Deutschen Tierschutzbund, kennt einige solcher Fälle aus den Regionen. In den 550 Tierheimen des Vereins landen deutschlandweit jährlich 350.000 Neuzugänge.
In den Einrichtungen in Heidelberg, Mannheim und Weinheim hat man einen Corona-Effekt bisher zum Glück noch nicht bemerkt. Und auch bei der Vergabe ihrer Tiere sind die Helfer sorgsam. "Wir haben sehr darauf geachtet, dass Vermittlungen nicht aus Covid-Gründen erfolgen." Dabei sind Haustiere vor allem für Kinder toll. Das steht überhaupt nicht zur Diskussion. Im Idealfall können sie gemeinsam kuscheln, spielen und falls mal nötig sich gegenseitig trösten. Kinder lernen, sich um jemanden zu kümmern, und beobachten ihren Schützling in seinem Lebensraum. Das ist der Idealfall.
Negative Beispiele sieht Jutta Schweidler im Tierheim in Weinheim trotzdem regelmäßig: "Eltern bringen uns die Haustiere ihrer Kinder, die oft weinend daneben stehen. Die Erwachsenen hatten nicht erwartet, dass sie sich um die Schützlinge ihres Nachwuchses kümmern müssen. Weil Kinder aber noch nicht in der Lage sind, die volle Verantwortung zu übernehmen oder mit Beginn der Pubertät andere Interessen entwickeln, werden die Tiere abgegeben." Ob die jungen Halter es wollen oder nicht.
Vor der Idylle Tier und Kind wartet also eine Liste an Überlegungen, die vorher abgehakt werden sollte, wenn man sich einen Vierbeiner oder gefiederten Freund ins Haus holen möchte. Jutta Schweidler weiß mit etlichen Jahren Erfahrung als Leiterin des Tierheims in Weinheim, welche Punkte Eltern zuvor abklären sollten und welche Familien- und Tierkonstellationen zusammenpassen oder nicht: "Damit alle Beteiligten zufrieden sind."
Erwähnter Punkt eins und in Familien eventuell wichtigster Aspekt: Ja klar, das Tier ist für das Kind gedacht. Doch Eltern brauchen sich nichts vorzumachen: Sie werden verantwortlich sein, sie werden Gassi gehen, den Hundekot aufheben, den Käfig reinigen, zum Tierarzt fahren, sich um die Entwurmung kümmern und Futter heranschaffen. Das Alter, in dem das Kind zu jung ist, die volle Verantwortung zu tragen, geht fließend über in das Hormonchaos des Jugendlichen und mündet meist in den Auszug des eigentlichen Tierhalters, in der Regel ohne das Haustier.
Punkt zwei ist der Blick in den Geldbeutel. Während eine zahme Ratte recht genügsam ist, gehen die Versorgungskosten für ein Pferd in die Hunderte pro Monat, die medizinischen manchmal in die Tausende – wie auch bei Hunden und Katzen. Kranken- und Haftpflichtversicherungen helfen, verursachen aber monatliche Fixkosten. Hinzu kommen eventuell Hundetrainer, Steuern, ein Hufschmied, Reitunterricht, Sattel und Zaumzeug, Impfungen, Einstreu sowie Katzenklo und -korb. Eine Kostenaufstellung vorab hilft, Entscheidungen zu fällen.
Unter Punkt drei fallen die örtlichen Gegebenheiten und Lebensumstände. Man kann größter Fan der Bobtails sein: In einer Zwei-Zimmer-Wohnung mit 50 Quadratmetern in der Innenstadt dürften sie trotz ausufernder Gassigänge nicht fröhlich werden. Wer jeden Tag neun Stunden außer Haus ist, macht Katzen ohne Freigang nicht glücklich. Und was ist im Urlaub? Stehen Betreuer zur Verfügung, damit das neue Haustier nicht im Sommer mit den tausenden anderen Lieblingen an der Leitplanke auf Rettung wartet? Außerdem sollte der Mietvertrag auf Tierhaltung abgeklopft und eventuell beim Arzt vorher ein Allergietest absolviert werden. Ist das Tier erst mal im Haus und das Niesen beginnt, ist es weder für den neuen Bewohner, noch für die Kinder eine gute Erfahrung, wenn man sich wieder trennen muss.
Sind diese Punkte abgehakt, kann es unter den verbleibenden möglichen Anwärtern für den Einzug mit der Suche losgehen. Dazu sollte man sich fragen: Was erwartet man von seinem Haustier? Wer es kuscheln möchte, scheitert natürlich bei Fischen oder schüchternen Hamstern. Sucht man einen Kumpel für den Sport, ist eine Bartagame ungeeignet. Oder geht es um die reine Faszination "Tier" und man möchte es füttern und beobachten? Dann ist der Dauerschläfer "Katze" nicht unterhaltsam.
Was außerdem Berücksichtigung finden sollte: Fast kein Tier lebt gerne ohne Artgenossen. Katzen sind keine Einzelgänger, ebenso wenig Hasen, Fische oder Vögel. Und Käfige aus Tierhandlungen entsprechen oft nicht den Ansprüchen. Tiere brauchen Platz, einige möchten buddeln, andere fliegen. Entsprechende Gehege müssen oft selbst zusammengestellt werden. Und klar: Welpen, beziehungsweise Jungtiere sehen entzückend aus. Doch erstens wachsen sie aus dem Kindchenschema schnell heraus, zweitens sollte man die Erziehung eines Hundes in den Flegeljahren oder einer jungen Katze nicht unterschätzen. Auch der Charakter ist bei Welpen ein Überraschungsei. Deshalb eignen sich oft ausgewachsene Tiere, die nicht mehr die Wohnungseinrichtung zerkauen oder zerkratzen. Züchter oder Tierheime können außerdem Angaben zu Vorlieben älterer Vierbeiner machen und abschätzen, ob sie zur Familie passen.
Die vermutlich beliebteste erste Kategorie der Haustiere ist die Kuschelfraktion. Hier tummeln sich vier mögliche Anwärter: Hunde und Katzen als Klassiker und für vermögende Familien mit viel Zeit Pferde. "Zu älteren Kindern passen Ratten prima," findet Schweidler. "Sie sind sehr sozial und krabbeln im Pulli herum. Echte Schmusetiere." Eventuell gehört noch die Bartagame als Nummer fünf dazu, weil sie gerne über längere Zeiträume auf menschlichen Schultern verweilt und sich vorsichtig streicheln lässt.
Katzen sind pflegeleicht, ebenso Ratten und Bartagame. Reptilien brauchen allerdings ein gut ausgerüstetes Terrarium mit Temperaturregelung, damit sie sich keinen Schnupfen holen. Hunde sind fast ebenso zeitintensiv wie Pferde, denn sie benötigen viel Ansprache, sind nicht gerne alleine und ohne permanente Erziehung stellen sie ihre eigenen Regeln auf. Trotzdem belegen sie nach der Katze Platz zwei der beliebtesten Haustiere, weil sie sich als zur Familie zugehörig sehen und selbst Teenager manchmal vom Computer ins Freie locken.
Bei anderen Mitbewohnern heißt es: Vorsichtige Streicheleinheiten sind erlaubt, ansonsten bitte nur anschauen. Dazu gehören Nagetiere, die zwar aussehen, als müsse man sie pausenlos knuddeln, meist werden sie aber weder gerne hochgehoben noch beschmust. Das betrifft Hasen, Meerschweinchen, Chinchillas oder Hamster, die nachts im quietschenden Laufrad ein Einzelzimmer brauchen, um die Familie nicht in den Wahnsinn zu treiben. Diverse Echsen und Vögel kann man ebenfalls ab und zu mit einem Finger kraulen und mit viel Geduld werden diese Tiere etwas zutraulich. "Bei Wellensittichen ist die Zuwendung zum Menschen aber meist reine Traurigkeit, wenn sie ohne Artgenossen leben," weiß Jutta Schweidler.
Wer es außergewöhnlich mag und einen Garten zum Scharren besitzt, kann sich Hühner zulegen: Sie freuen sich über gelegentliches Federn streicheln und liefern meist ein Ei pro Tag und Vogel. Sie brauchen ein entsprechend großes Gehege mit einer für ihre Art passenden Ausstattung. Volieren oder Hütten, Röhren, die für einen ordentlichen Hamsterauslauf durch die Wohnung führen, oder große Hasenareale mit Buddelecken sollten also in die Planung einfließen.
Für Kinder, die begeistert beobachten, sind Fische, Spinnen oder Schlangen geeignet. Der Spaß an ihrer Haltung begrenzt sich auf das Einrichten des Geheges, die Fütterung und ihnen beim alltäglichen Leben zuzuschauen. Allerdings müssen die Gehege gereinigt werden und Eltern sollten vorher prüfen, wie es um ihr persönliches Empfinden Spinnen und Schlangen gegenüber steht. Denn nicht vergessen: Letztendlich werden sie es sein, die Würmer, Grillen und tote Mäuse verfüttern.
Ist keine passende Art dabei? In der Jugendgruppe eines Tierheims kann man sich mit Gleichgesinnten treffen und bei der Arbeit helfen: Hunde Gassi führen, Pate werden und Gehege säubern. Ein kurzer Einführungskurs bereitet Helfer auf den Umgang mit den Heimbewohnern vor. Auch eine Reitbeteiligung ist eine Möglichkeit, Tierkontakte zu pflegen. So oder so, die Tierheime des Rhein-Neckar-Kreises beraten Familien gerne.