Der älteste Bleistift wurde auf das 17. Jahrhundert datiert. Fotos: Faber-Castell Archiv, Getty, Staedtler

Von Ute Teubner
Kinder, Jugendliche und auch Erwachsene auf dem ganzen Globus halten ihn fast täglich in der Hand. Kein Wunder: Man kann mit ihm schreiben und rechnen, zeichnen und malen – und es gab sogar eine Zeit, da man mit seiner Hilfe Musikkassetten aufrollte, im Kampf gegen Bandsalat. Er ist ein 450 Jahre alter Klassiker, alles andere als aus der Mode gekommen und selbst im digitalen Zeitalter überaus beliebt: der gute alte Bleistift. Am 30. März wird er als eines der einflussreichsten Kommunikationsmittel überhaupt international "gefeiert". Denn an diesem Tag im Jahr 1858 erhielt der US-Amerikaner Hymen L. Lipman das Patent für einen Bleistift mit einem am Stiftende befestigten Radiergummi ...
Wo und wann genau der erste Bleistift gespitzt wurde, ist nicht ganz klar. Fest steht: Die Karriere des geschätzten Griffels begann mit einem falschen Namen: Bleistift? Dabei hat dieses Schreibgerät (zumindest heutzutage) doch gar nichts mit dem gleichnamigen Schwermetall zu tun ... Sicherlich: Blei hinterlässt auf Papier eine ähnliche Spur wie Graphit und wurde schon früh zum Schreiben benutzt. So sollen bereits vor 5000 Jahren die alten Ägypter Schilf- und Papyrusrohr mit flüssigem Blei ausgegossen und als Schreibwerkzeug benutzt haben. Und wie von Plinius überliefert, gab es in der Antike wohl auch reine Bleigriffel (lat. "stilus plumbeus"), die durch besonders gute Abriebeigenschaften glänzten. 
Doch war es kein Blei, aus dem ab Mitte des 16. Jahrhunderts im nordenglischen Keswick in der Grafschaft Cumberland Schreibstifte gefertigt wurden. Schäfer sollen im nahe gelegenen Borrowdale in einer Mine ein seltsames, schwarzes Mineral entdeckt haben, mit dem sie ihre Schafe markieren konnten – der Cumberland-Graphit war gefunden. Einhundert Jahre später wurden in Holz eingefasste Stäbe aus Borrowdale-Graphit in vielen Ländern verwendet. Um 1680 wurden die englischen Bleistifte auch in Deutschland bekannt. Und 1726 gab es in Stein bei Nürnberg bereits die ersten Bleistiftmacher, Vorläufer der späteren großen Schreibwarenhersteller Staedtler, Faber-Castell, Lyra und Schwan-Stabilo.
Noch bis ins ausgehende 18. Jahrhundert hinein wurde der zur Herstellung der Stiftmine verwendete Graphit irrtümlich für das Bleierz Galenit (Bleiglanz) gehalten, woraus sich der missverständliche Name Bleistift (in Deutschland zunächst auch Reißblei, Schreibblei oder Wasserblei) ableitet. Und auch heute noch hält sich der Mythos hartnäckig, dass im Bleistift Blei enthalten sei – obwohl die Mine überwiegend aus Graphit und Ton besteht. Letzteres fügte der Wiener Joseph Hardtmuth erstmals 1790 zusammen mit Wasser dem Graphitstaub hinzu und brannte die Masse in einem Ofen. Je nach Menge des Tons konnte er damit den Härtegrad des Bleistifts festlegen. Fünf Jahre später entdeckte Nicolas-Jacques Conté ein Verfahren, mit dem auch unreiner Graphit aus Minen in Deutschland und Österreich verwendet werden konnte. Der Franzose gilt zusammen mit Joseph Hardtmuth als Grundsteinleger für den Erfolg des modernen Bleistifts.
Denn, ja: Erfolgreich ist dieses Schreibgerät in der Tat, auch wenn es vielleicht nicht zu den edelsten, aber sicher zu den zuverlässigsten zählt, die je erfunden wurden. Immerhin ist der Bleistift weltweit das beliebteste Gerät zum Schreiben lernen. Oder wer hat nach der Einschulung seine ersten Druckbuchstaben etwa nicht mit einem dreieckigen, weil ergonomischen Graphit-Schreiblernstift "gemalt"? In der zweiten Klasse dann die Schreibschriftschwünge damit geübt? Und den "Bleier" nach dem "Füller-Führerschein" echt vermisst – schließlich konnten Fehler vorher im Handumdrehen einfach wegradiert werden. In Japan werden Bleistifte übrigens die gesamte Schulzeit über verwendet – erst mit 18 Jahren tauschen japanische Schüler ihr beliebtes Schreibgerät gegen Füllfederhalter und Co. ein.
Doch natürlich eignet sich der Bleistift nicht nur zum Schreiben, sondern auch zum Zeichnen. Ob Künstler, Architekt, Bauingenieur oder Handwerker – sie alle können auf den traditionsreichen Griffel nicht verzichten. Der sieht denn auch, um den verschiedenen Ansprüchen Rechnung zu tragen, individuell sehr unterschiedlich aus. So hat beispielsweise der bis zu 25 Zentimeter lange Zimmermannsbleistift, der zum Anzeichnen auf Werkstoffen mit rauer, fester Oberfläche eingesetzt wird, einen eckig-ovalen, manchmal auch rechteckigen Querschnitt, der ein Herunterrollen des Stiftes von schrägen Flächen verhindern soll. Der sogenannte meist runde Golfbleistift hingegen ist mit nicht viel mehr als acht Zentimetern besonders kurz – was sich beim Minigolfen als durchaus praktisch erweist.
Einen besonderen Schub hat der Bleistift vor allem in den letzten Jahren durch den Trend zum Selbermachen erfahren. Wenn etwa Grußkarten gestaltet werden, gehört er zur Do-it-yourself-Ausstattung einfach dazu. Und auch die Bleistift-Hersteller selber werden immer kreativer: Das kleine Schreibgerät wird zunehmend zum Lifestyle-Produkt – der neuste Trend: pflanzbare Bleistifte, die sich dank einer Samenkapsel am Stiftende (statt des obligatorischen Radiergummis) in Blumen oder Kräuter verwandeln können, nachdem der Stift zum Stummel geworden ist. Ein Statement in Sachen Nachhaltigkeit.
Apropos: Die für Bleistifte verwendeten Hölzer werden größtenteils auf eigens dafür eingerichteten Plantagen angepflanzt. Und weil die Lackierung des Stifts oft umweltschädlich ist, haben immer mehr Hersteller mittlerweile auch naturbelassene Holzbleistifte im Sortiment.