Ohne neue Schulden, ohne große Sprünge

27.10.2021 UPDATE: 28.10.2021 06:00 Uhr 2 Minuten, 32 Sekunden

Von Roland Muschel, RNZ Stuttgart

Stuttgart. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hat seinen Etatentwurf für das kommende Jahr gegen die starke Kritik von Opposition und Verbänden als "Haushalt der Stabilität und des Übergangs" verteidigt. Es könnten allerdings auch nicht alle Wünsche erfüllt werden, bat Bayaz um Verständnis bei der Vorstellung der Regierungspläne im Landtag.

Welches Volumen hat der Haushalt 2022? Der Entwurf für den Landeshaushalt 2022 hat ein Volumen von 55,7 Milliarden Euro. Seit 2012 ist das Volumen um 41,4 Prozent gewachsen, die Steuereinnahmen sind im gleichen Zeitraum um 33,3 Prozent nach oben gegangen, die Wirtschaftsleistung ist um 34,5 Prozent und die Verschuldung um 36,6 Prozent gestiegen. Nach einer mit der Bekämpfung der Corona-Krise begründeten Rekordneuverschuldung im Doppelhaushalt 2020/21 halten sich Einnahmen und Ausgaben im Etat 2022 wieder die Waage. Das Land will sogar knapp 500 Millionen Euro an Corona-Schulden zurückführen. Die Mittel kommen aus dem Topf des mit 1,0 Milliarden Euro gespeisten Beteiligungsfonds des Landes, der nicht nachgefragt wurde.

Welche Schwerpunkte setzt die Landesregierung? "Wir machen nicht die großen Sprünge", sagte Finanzminister Danyal Bayaz am Mittwoch bei der Einbringung des Haushaltsentwurfs im Landtag. Dafür seien die Spielräume zu gering. Aber man mache "gezielte Schritte in die richtige Richtung". Drei Schwerpunkte nannte der Grünen-Politiker: Erstens, die Abfederung der Pandemie-Folgen. Dazu zählen Investitionen in knapp 200 neue Lehrerstellen, eine Aufstockung des Solidarpakts Sport und Programme für Einzelhandel und Kultur. Zweitens, die Stärkung der staatlichen Handlungsfähigkeit. Dazu zählen über 200 neue Stellen im Öffentlichen Gesundheitsdienst und 450 Stellen bei der Justiz, vor allem im Vollzug. Drittens, zusätzliche Investitionen in den Klimaschutz in Höhe von über 50 Millionen Euro, die etwa der Einführung eines ÖPNV-Jahrestickets für 365 Euro-für Jugendliche zugutekommen soll.

Welche Risiken gibt es noch? Einige. Die Landesregierung füllt deshalb die Rücklagen für Haushaltsrisiken mit 830 Millionen Euro auf, allein 500 Millionen Euro davon sind für die Corona-Vorsorge gedacht. Das Geld stammt ebenfalls aus dem Topf des zur Auflösung vorgesehenen Beteiligungsfonds. Mit vier Beispielen begründete Bayaz die hohen Vorsorgesummen. Erstens, die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Im Entwurf kalkuliert das Land mit einem Tarifplus von 2,1 Prozent. Liegt eine Einigung darüber, verursacht das schnell Mehrkosten in dreistelliger Millionenhöhe. Zweitens, das Land muss zwei aktuelle Bundesverfassungsgerichtsurteile zur Beamtenversorgung und –besoldung umsetzen. Im aus Haushaltssicht günstigsten Modell dürfte das zu Mehrkosten von mindestens 240 Millionen Euro führen. Drittens, die Kommunen haben eine lange Liste an Anforderungen. Eine Einigung steht noch aus; nach der November-Steuerschätzung soll eine Lösung gefunden werden. Viertens, es könnten auch 2022 – gerade aus Afghanistan – mehr Geflüchtete ins Land kommen.

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Was ist mit Corona? Corona bleibt ein zentraler Unsicherheitsfaktor. Mit der Pandemie begründet Bayaz auch die hohen Summen zur Vorsorge vor Corona-Risiken. "Wenn die Pandemie außer Kontrolle geraten sollte, sind wir vorbereitet und können schnell und flexibel reagieren." Andernfalls, so Bayaz im Landtag, werde man diese Mittel zur Schuldentilgung verwenden. Gelder könnten etwa für weitere Testungen an Schulen oder Hochschulen notwendig werden, bislang hat allein das Impfen über 800 Millionen Euro gekostet.

Was machen der Bund und andere Länder? Zehn Bundesländer planen kommendes Jahr mit Verweis auf die Fortsetzung der Pandemie weitere Kredite im Haushalt oder in Sondervermögen. Im Bund hat noch die alte Bundesregierung für 2022 mit neuen Schulden in Höhe von 100 Milliarden Euro geplant, der Entwurf stammt vom bisherigen Finanzminister und designierten Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Kritiker hätten so getan, als hätte Baden-Württemberg mit der Kreditaufnahme im Nachtragshaushalt für 2021 einen Sonderweg eingeschlagen. Dabei sei eher der ausgeglichene Haushalt 2022 ein baden-württembergischer Sonderweg, sagte Bayaz.

Wie geht’s weiter? Am 10. November findet im Landtag die erste Aussprache über den Etatentwurf der Landesregierung statt, die Opposition nutzt die Gelegenheit in der Regel zur Generalabrechnung mit der Regierung. Für Mitte November wird eine neue Steuerschätzung erwartet– und mit ihr in Regierungskreisen auch eine Erhöhung der Einnahmeprognosen. Solche Zusatzmittel könnten nicht zuletzt Spielräume für die Finanzverhandlungen mit den Kommunen schaffen. Am 22. Dezember soll der Etat dann endgültig vom Landtag beschlossen werden – bis dahin können die Parlamentarier noch Änderungen am Regierungsentwurf vornehmen.