Mannheimer Totschlag-Prozess

"Er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun"

30-Jähriger soll seine Ex-Freundin getötet haben - Freunde des Angeklagten sagten vor dem Landgericht aus

28.10.2020 UPDATE: 29.10.2020 06:00 Uhr 1 Minute, 55 Sekunden
Die Kammer des Landgerichts mit dem Vorsitzenden Richter Gerd Rackwitz (Mitte), zwei weiteren Richtern und zwei Schöffen. Foto: Gerold

Von Olivia Kaiser

Mannheim. Er hatte wohl den Bezug zur Realität verloren, ein Drogenproblem und brauchte eine Therapie: In vielem decken sich die Berichte der zwei Männer, die am Mittwoch vor dem Mannheimer Landgericht ausgesagt haben. Ihr Freund Florian R. soll seine 22-jährige Ex-Freundin Gema R. am 15. August 2019 mit mehr als 20 Messerstichen in der früheren gemeinsamen Wohnung im Stadtteil Rheinau getötet haben und muss sich derzeit wegen Totschlags verantworten.

Die Kammer des Landgerichts mit dem Vorsitzenden Richter Gerd Rackwitz (Mitte), zwei weiteren Richtern und zwei Schöffen. Foto: Gerold

Beide Männer betonen, dass sie ihrem Freund helfen wollten. Unabhängig voneinander hatten sie Kontakt zu Drogenvereinen und Therapiekliniken aufgenommen. Doch letztendlich verweigerte der Angeklagte die Hilfe. Beide hatten am Tattag mit dem 30-Jährigen mehrfach Kontakt über den Nachrichtendienst Whatsapp.

Der Zeuge, den der Angeklagte als "väterlichen Freund" beschrieben hat, erzählt, dass er Florian R. im Jahr 2016 kennenlernte. Als er von dessen schwieriger Kindheit erfuhr, habe er Mitleid mit dem jungen Mann gehabt und wollte ihm helfen, sein Leben in Ordnung zu bringen. Regelmäßig gab er ihm Geld, meist zwischen 200 und 500 Euro. "Er hat es nie gefordert, sondern immer gebeten", betont er.

Auch nach dem Umzug des Angeklagten nach Mannheim hielt der Kontakt. Mit Unterstützung des Mannes gelang es dem 30-Jährigen, bei der Abendakademie den Hauptschulabschluss nachzuholen. Der Zeuge bestätigt, dass die Beziehung zwischen Gema und Florian zunächst harmonisch war. Er half dem Paar beim Umzug nach Rheinau. Doch dann habe es Probleme gegeben. "Beide sind sehr unsensibel miteinander umgegangen." Schließlich hätten sie sich getrennt, doch Gema lebte noch einige Zeit in der Wohnung, bis sie dann im Juli 2019 auszog.

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Der Zeuge vermutet, dass der Angeklagte seit einiger Zeit wieder Drogen nahm. "Er hatte glasige Augen." Zudem sei er immer weiter abgedriftet und habe geglaubt, dass die Getötete einen neuen Freund habe, einen IT-Spezialisten, der ihn gehackt habe, sodass er nicht mehr auf seine persönlichen Daten zugreifen könne. Kurz vor der Tat wollte er den Angeklagten ins Psychiatrische Zentrum Nordbaden nach Wiesloch bringen, doch im letzten Moment machte der 30-Jährige einen Rückzieher. Ähnliches berichtet ein Zeuge aus Stuttgart, der Florian R. im Jahr 2011 über ein Online-Dating-Portal für Männer kennengelernt hatte. "Er war ein wahnsinnig wichtiger Mensch für mich."

Mit Pausen habe man immer wieder Kontakt gehabt, auch nachdem der Angeklagte ihm von der Beziehung zu Gema erzählte. Der Zeuge sagt aus, dass Florian R. wegen Angstzuständen Medikamente genommen habe und bestätigt den Verfolgungswahn nach der Trennung. Er habe sich immer weiter hineingesteigert. Da habe er gemerkt, dass er wohl wieder Drogen konsumiere. Die Getötete hat der Zeuge erst zwei Wochen vor der Tat über das Telefon kennengelernt. Der Angeklagte bat ihn, Kontakt aufzunehmen. "Sie hat bestritten, etwas mit dem Hack zu tun zu haben."

Die beiden blieben in Kontakt. Die 22-Jährige habe ihn sogar am Tatabend angerufen, als sie in der Wohnung war. "Sie sagte, er sei total bekifft und betrunken. Ich habe gesagt, sie soll ihre Sachen nehmen und abhauen." Beide Zeugen betonen, dass sie Florian R. nie aggressiv erlebt und nie damit gerechnet hätten, dass er gewalttätig sein könnte. "Er konnte keiner Fliege etwas zuleide tun."