Hintergrund - Mühlhausen Haushalt

10.05.2020 UPDATE: 10.05.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 53 Sekunden

Mühlhausen muss handlungsfähig bleiben

Mühlhausens Gemeinderat hat den Haushaltsplan 2020 einstimmig verabschiedet, auch wenn jedem klar war, dass die Coronakrise Einnahmeausfälle und Mehrausgaben zur Folge hat, die wahrscheinlich spätestens im Herbst einen Nachtragshaushalt erforderlich machen. Man war sich aber einig, dass man mangels verlässlicher Werte mit dem arbeiten muss, was vorliegt, damit die Gemeinde handlungsfähig bleibt. Die Atmosphäre war nüchtern und pragmatisch, aber nicht gänzlich ohne Zuversicht.

Von einer "besonderen Herausforderung" sprach Stephanie Kretz (CDU). Und die schwierige Finanzlage werde die Gemeinde sicher nicht nur zeitweilig begleiten, sondern auf längere Sicht. Schon vor der Coronakrise sei der Haushaltsentwurf eine Herausforderung gewesen, man habe streng priorisieren und Projekte hinterfragen müssen, ohne die Folgen der Einschränkungen im Dienst des Infektionsschutzes erahnen zu können. "Nicht alles hätte realisiert werden können, auch ohne Corona", so Kretz, jetzt müsse auch das Notwendige auf den Prüfstand.

Aber: "Handlungsfähig zu bleiben, ist das oberste Gebot", sagte sie. Mühlhausen dürfe die Finanzhoheit nicht aus der Hand geben, müsse weiter nach eigenen Vorstellungen gestalten und Maßnahmen angehen. Weitere Investitionen seien nun schwer möglich, auch könne es keine Zusage für die Realisierung bereits geplanter Projekte geben. Man müsse restriktiv handeln, betonte Stephanie Kretz und bat die Verwaltung um regelmäßige Informationen zur aktuellen Wirtschaftslage. Zum Wohl der Gemeinde und aus Verpflichtung auch gegenüber den kommenden Generationen müsse man nachhaltig wirtschaften. Abschließend wünschte sie allen "Mut und Zuversicht", um die Krise gut zu bewältigen.

480 Seiten habe der Haushaltsplan, sagte Dr. Gerhard Welker (Grüne) und hob die Unterlagen hoch: Und es sei nicht leicht gewesen, das Zahlenwerk zu erstellen, "auch ohne Corona" habe man sich in einer schwierigen Lage befunden.

Doch sei beispielsweise der "große Investitionsbrocken" der Schulen notwendig, argumentierte Welker, engagierte Bürger hätten mit ihren Erwartungen etwa an Kinder- oder Seniorenbetreuung der Politik eine Wirklichkeit deutlich gemacht, die ihr vorher nicht in dem Maße bewusst war. "Man sieht, auch ohne Corona, wohin die Reise geht." Und überdies lauerten beispielsweise mit den Kanälen unumgängliche Aufgaben "im Untergrund". Mit Blick auf positive Überraschungen dank der guten Konjunktur in den letzten Jahren hoffte er,

Hoffnung auf bessere Jahre

dass "nicht zu viel Negatives" auf Mühlhausen zukommt. Abschließend betonte Welker, dass man in der Corona- nicht die Klimakrise vergessen dürfe: "Die kommt uns in Zukunft teurer zu stehen, als alles, was wir im Zusammenhang mit Corona diskutieren."

Die ganze Gesellschaft werde zu leiden haben, meinte Reinhold Sauer (Freie Wähler), jetzt sei noch viel weniger machbar, als ohnehin gedacht, und schon ohne die Corona-Effekte habe Mühlhausen seinen Ressourcenverbrauch nicht ganz erwirtschaften können, wie der Haushaltsplan mit seinem 1,2-Millionen-Defizit zeige. Man müsse nun die Ausgaben beschränken und dürfe Notwendiges nur in vertretbarem Rahmen auf den Weg bringen – und in Kauf nehmen, "dass es länger dauert, bis wir es vollenden können".

Begonnenes müsse man zu Ende bringen, so Sauer mit Blick auf Kindergarten St. Josef, Waldangelbach-Ausbau und Grunderwerb. Seit Jahren investiere die Gemeinde in ihre Infrastruktur, könne sich über steten Zuzug freuen. Das aber mache weitere Investitionen notwendig, gerade auch in die Schulen, da sei man "auf dem richtigen Weg". Die steigende Verschuldung werde sich zwar nur über einen längeren Zeitraum abbauen lassen, "ist aber bei historisch niedrigen Zinsen vertretbar", so Sauer. "Es kommen ja hoffentlich auch wieder bessere Jahre" – und in der Vergangenheit habe man "gut gewirtschaftet", jetzt müsse man weiter die richtigen Prioritäten setzen.

"Die Aussichten sind düster", meinte Holger Schröder (SPD), die Pandemie stelle alle vor Herausforderungen und viele Fragen seien noch offen. Die Gemeinde müsse so "lebens- und liebenswert" bleiben, als Arbeits- und Wohnort attraktiv gehalten werden, kurze Wege zu Arbeitsplatz, aber auch zur Schule seien wichtig. Bisherige Angebote müsse man also möglichst aufrechterhalten, an den Schulsanierungen dranbleiben, auch wenn sie enorme Belastungen darstellten, und zumindest die Planungen jetzt anstoßen.

Darüber hinaus gebe es weitere wichtige Aufgaben, so Schröder, als Beispiel nannte er die Feuerwehren. Auch beim Klimaschutz gebe es noch einiges zu tun. In Rettigheim vermisse man eine erschwingliche Betreuung für Senioren. Hierbei brachte er eine Idee ins Spiel, die die SPD bereits seit Längerem verfolgt und mit den anderen örtlichen Parteien bespricht: das bürgerschaftliche Engagement zu fördern und eine genossenschaftliche Lösung etwa in Form eines Mehrgenerationenwohnens anzustreben. Wie beeindruckend Nachbarschaftshilfe sein könne, sehe man doch besonders jetzt, in der Krise, so Schröder, "viele denken ähnlich wie wir". In der Gesamtgemeinde müsse sich jeder, arm oder reich, jung oder alt, wohl und zuhause fühlen. (seb)