Hintergrund Interview Lauterbach Klinik

15.07.2019 UPDATE: 15.07.2019 06:00 Uhr 1 Minute, 32 Sekunden

"Wichtig ist, welche Kliniken man schließt"

Karl Lauterbach ist SPD-Gesundheitsexperte und stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion im RNZ-Interview

Was halten Sie von dem Befund der Bertelsmann-Studie, dass die Zahl der Krankenhäuser hierzulande von 1400 auf deutlich unter 600 sinken sollte?

Der Grundtenor der Studie ist zwar richtig. Aber die Berechnung, dass man bis zu zwei Drittel der Krankenhäuser abbauen könnte, die halte ich für falsch und überzogen. Tatsächlich ist es so, dass mit weniger Kliniken, wenn die richtigen Krankenhäuser geschlossen, fusioniert oder in ambulante Einrichtungen umgewandelt würden, die Qualität wahrscheinlich steigen würde. Wir haben sehr viele Krankenhäuser gemessen an vergleichbaren Ländern. Bei weniger Krankenhäusern hätten wir mehr Pflegekräfte, Ärzte und Erfahrung pro Bett und Patient und könnten auf überflüssige Eingriffe verzichten.

Welche Größenordnung an Klinik-Stilllegungen wäre denn realistisch?

Es kommt sehr darauf an, welche Krankenhäuser man schließt. Wenn man die falschen schließt, könnte man mit den Verringerungen großen Schaden anrichten. Klar ist: Es darf keine Gewinnmaximierung durch Krankenhausschließungen geben. Es wird aber nicht möglich sein, mittelfristig die Ärzte und Pflegekräfte vorzuhalten, um in allen bestehenden Häusern die Versorgung abzudecken.

Heißt das nicht, dass dann im flachen Land Kliniken schließen sollten?

Die Förderung und die Unterstützung von Krankenhäusern in dünn besiedelten Regionen und auf dem Land ist dringend notwendig. Das hat die SPD auch beschlossen. Wir haben tatsächlich auf dem Land und in den sozialen Brennpunkten der Städte eher eine Unterversorgung. Wir haben dagegen eine Überversorgung in vielen Metropolen besonders dort, wo lukrative Krankenhausmärkte sind, wo viele Einkommens- und Bildungsstärkere leben. Dort wird oft Überversorgung angeboten, auch mit Eingriffen, die medizinisch fragwürdig sind und bei denen wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund stehen. Das bindet Fach-Personal, das gerade auf dem Land ganz dringend benötigt wird.

Bedarf es da neuer Gesetze?

Wir arbeiten in einer Bund-Länder-Kommission daran, dass Krankenhäuser besser zusammenarbeiten mit dem ambulanten Sektor. Es geht um die sektorenübergreifende Versorgung. Wenn diese besser funktioniert, kann man präzisere Pläne machen, wie man die Zahl der Krankenhäuser sinnvoll verringert. Das Kriterium dabei kann aber immer nur die Verbesserung der Qualität sein. Geld lässt sich damit nicht sparen. Es ist aus meiner Sicht unmöglich und auch nicht sinnvoll, über eine Senkung der Zahl der Krankenhäuser das System billiger zu machen. Wir müssen das Personal da einsetzen, wo es am dringendsten benötigt wird.