Hintergrund Impfstoff

13.01.2021 UPDATE: 13.01.2021 06:00 Uhr 1 Minute, 26 Sekunden
Von Station zu Station auf einer Einbahnstraßen-Regelung geht es im Kreis-Impfzentrum. Voraussichtlich ab dem 22. Januar werden dort die ersten Freiwilligen gegen eine Infektion mit dem Sars-Cov-2-Erreger geimpft. Foto: Tim Kegel

> Zu 90 Prozent wirksam – was heißt das eigentlich beim Thema Impfstoffe? Man sollte meinen, dies bedeutet, dass nach der Verabreichung eines Vakzins neun von zehn Menschen von einer Erkrankung geschützt sind. "Stimmt nicht", sagt das renommierte Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Essen, welches regelmäßig in Zusammenarbeit mit Berliner Forschern eine "Unstatistik" mit populären Missverständnissen und Folgerungsfehlen herausgibt.

Die Untersuchung der Wirtschaftswissenschaftler ging so: Wäre der Impfstoff wirksam bei 90 Prozent der Menschen, die sich impfen lassen, so würde dies bedeuten, dass bei einer Impfung aller 83 Millionen Menschen in Deutschland 90 Prozent geschützt wären. Zehn Prozent – in diesem Fall 8,3 Millionen – können sich anstecken. Dies wären jedoch weit mehr Infizierte als bisher der Fall. Daher muss es anders gemeint sein.

"Die 90 Prozent beziehen sich nicht auf die Gruppe der Geimpften, sondern auf jene der Infizierten", schreiben die "Unstatistik"-Fachleute. Und sie beziehen sich auf eine Studie von "Biontech" mit 43.000 Teilnehmern, von denen die eine Hälfte den Impfstoff, die andere Hälfte ein Placebo bekam. Eine Woche nach der zweiten Impfung habe es 94 bestätigte Covid-19 Fälle gegeben. Die "Wirksamkeit" wird in einem Protokoll der Studie von Pfizer definiert, erläutern die Forscher weiter, indem nun der Anteil der Covid-19-Fälle unter den tatsächlich Geimpften durch den Anteil der Erkrankten in der Placebo-Gruppe geteilt wurde. Um den Wert nun in Prozenten auszudrücken, wird dieser von "1" abgezogen und mit 100 malgenommen. Daraus lässt sich ableiten, dass es bei den Geimpften acht, in der Gruppe mit Placebo etwa 86 Fälle gegeben hat. Dies entspricht nun ziemlich genau einer Reduktion von etwa 90 Prozent. Und das bedeutet auch, dass sich die Angabe auf den Anteil an Infizierten, nicht auf jenen der Geimpften bezieht.

"Zu 90 Prozent wirksam", sagen die "Unstatistiker", beziehe sich weder auf neun von zehn Menschen, die zur Impfung gehen, noch auf alle Studienteilnehmer oder gar die Impfwilligen in Deutschland. Deshalb sprechen die Wissenschaftler auch von einer relativen Risikoreduktion mit Bezug auf die Infiziertenzahl, nicht jedoch von einer absoluten Reduktion mit Bezug auf sämtliche Geimpfte. Ein Unterschied, räumen sie ein, der "für viele Menschen schwer zu verstehen" sei. Wichtig sei auch, dass sich 90 Prozent Wirksamkeit auf die Verminderung von Infektionen beziehe, "nicht von schweren Erkrankungen oder gar Todesfällen". Dass die Reduktion "in gleichem Maß" durchschlägt, könne man derzeit "nur hoffen". (tk)