Hintergrund - Hohe Rücklagen sollen Sandhausen durch Krise helfen

03.08.2020 UPDATE: 03.08.2020 06:00 Uhr 2 Minuten, 10 Sekunden

Hohe Rücklagen sollen durch die Krise helfen

Bürgermeister Georg Kletti nannte das eine den Blick in den Rückspiegel, das andere jenen durch die Frontscheibe: In der jüngsten Gemeinderatssitzung wurden nicht nur im Blick zurück die überaus positiven Jahresabschlüsse der Haushaltsjahre 2017 bis 2019 festgestellt. In Vorausschau auf eine beunruhigende, bedingt durch die Corona-Pandemie finanziell ungewisse Zukunft beschloss das Gremium auch eine Haushaltssperre von fünf Prozent für Sach- und Dienstleistungen in diesem Jahr. Ebenso wurden für 2020 geplante Investitionen mit Einsparungen von über 176.000 Euro verschoben.

Selbst für Zuschauer mit Mathematikschwäche war die Botschaft der Zahlen deutlich, die Kämmerer Timo Wangler in dieser Ratssitzung an der Leinwand präsentierte: Die Gemeinde hat in den vergangenen drei Jahren ein komfortables finanzielles Polster erwirtschaftet. In den ordentlichen Ergebnissen des Ergebnishaushalts sprang so eine Rücklage von über 7,1 Millionen Euro heraus. Jeweils lagen die Ergebnisse weit über dem Planansatz: Allein im Jahr 2017 kam man auf rund 3,1 Millionen Euro mehr als vorgesehen. "Diese Rücklagen helfen uns beim Ausgleich in den nächsten Jahren, wenn es schlechter wird", sagte Wangler mit Blick auf die zu erwartenden deutlich geringeren Steuereinnahmen.

Mehr als 14,8 Millionen Euro auf der hohen Kante

So können sich auch die Zahlen im Gesamthaushalt der vergangenen Jahre sehen lassen: Mehr als 14,8 Millionen Euro hat Sandhausen nach diesen drei Jahren auf der hohen Kante. "Wir hatten in den letzten Jahren sehr viele Grundstückserlöse, deswegen ist das Gesamtergebnis deutlich höher als geplant", erklärt Wangler. Zudem seien die Personalkosten zuletzt geringer ausgefallen. Als "ganz interessant" bezeichnete der Kämmerer, dass die Gewerbesteuer für die Gemeinde in den vergangenen Jahren "eine stabile Größe" gewesen sei: Knapp 835.000 Euro mehr als ursprünglich vorgesehen flossen hier zum Beispiel im Jahr 2019. Weitere rund 445.000 Euro gegenüber dem Planansatz hat eine Entscheidung eingespart: Die Container, die während der Sanierung des Friedrich-Ebert-Gymnasiums als provisorische Klassenzimmer genutzt werden, hat die Gemeinde gekauft statt gemietet und damit bares Geld gespart.

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Aus den fast fünf Millionen Euro Zahlungsmittelüberschuss im Finanzhaushalt sollen derweil Investitionen finanziert werden. "Die sind on top", sagte Wangler. Unter anderem für den Bau von Sozialwohnungen, des Kindergartens Abenteuerland, für die Sanierung von Straßen und Kanälen und der Erschließung des Neubaugebiets Große Mühllach II habe man seit 2017 über 22 Millionen Euro investiert. "Das ist eine stolze Summe", erklärte der Kämmerer.

"Wir haben ein Stück Heimat verkauft"

In "ruhigem Fahrwasser" sieht Wangler auch den Eigenbetrieb Wasserversorgung. Die jüngsten trockenen und heißen Sommer hätten zu "erheblichen Erlösen" geführt. Zudem sinke die Verschuldung des Eigenbetriebs seit 2016 stetig.

Für die Feststellung der Jahresergebnisse 2017 und 2018 stimmten alle Räte bis auf Lukas Öfele und Beate Würzer (beide AL). Die beiden enthielten sich. Bei der Abstimmung über die Jahresergebnisse 2019 enthielt sich nur noch Würzer. Die Räte aller Fraktionen lobten insbesondere Georg Kletti und Timo Wangler für eine "vorausschauende und umsichtige" Finanzplanung.

Thomas Schulze (SPD) hielt fest, dass man die angesparten knapp 15 Millionen Euro in den nächsten Jahren "gut gebrauchen" könne. Dem schloss sich Kletti an, der "ein bisschen auf die Euphoriebremse" trat: Etwa mit dem Großprojekt Schulsanierung und der Erneuerung der Hardtwaldhalle seien "elf Millionen schon weg". Derweil erinnerte Ralf Lauterbach (AL) daran, dass etwa die Grundstückserlöse "nicht unendlich" seien. "Wir haben ein Stück Heimat verkauft", stellte er fest und prophezeite: "Das werden wir so oft nicht machen können, auch nachfolgende Generationen werden das vielleicht nicht in dem Maße können." (luw)