"Dä Negga riwwer un niwwer"

Fährverbindung wurde 1483 erstmals erwähnt - Seither hing sie öfter am seidenen Faden - Doch die Färcher ließen sich nie unterkriegen

15.10.2019 UPDATE: 15.10.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 27 Sekunden

Fährverbindung wurde 1483 erstmals erwähnt

Mit der Fähre besitzt Neckarhausen ein besonderes Wahrzeichen: Seit 1483 urkundlich belegt, wohl aber weit älter, war sie Teil der Handelsstraße nach Frankfurt und einer Thurn- und Taxis’schen Postroute. Jede Menge Geschichte und unzählige Geschichten ranken sich um diese einst wichtigste Flussquerung am Unteren Neckar. Und wenn man sich aktuell zu Recht Sorgen um den Fortbestand gemacht hat, dann nicht zum ersten Mal. Öfters schon in der langen Historie hing die Zukunft der "Neggafähr" am seidenen Faden.

So musste die private Fährgemeinschaft ab 1706 lang um ihre Rechte kämpfen, als die Heidelberger Brücke nach dem französischen Erbfolgekrieg zerstört war. Der Neubaubeauftragte Brückenkommandant Meyer erwirkte das Fährverbot in Neckarhausen für überregionalen Warenverkehr, da dies die Einkünfte seiner Behelfs-Schiffsbrücke minderte. Doch erkämpfte Neckarhausens couragierter Schultheiß Johann Michael Susmann in erbittertem Streit mit den Behörden die Fernverkehr-Lizenz für seine Färcher zurück. Bald gab es wieder längeren Zwist, nun wegen der, wie die Fährleute beklagten, zu harten Übersetz- und Fronpflichten für die Truppen und für den kurfürstlichen Hof. Dies resultierte 1725 in einem Erbbestandsbrief. Mit ihm riss Kurfürst Carl Theodor diese Zoll-lukrative Querung zwar an sich; doch sicherte das Dokument den Fähr-Teilhabern erstmals schriftlich ihr Betreiber-Recht. So feierten sie 1995 "250 Jahre Erbbestandsbrief" und zudem den 100. Geburtstag ihres damaligen Fährschiffs - amtlich benamt war es die "Heidelberg 004", eine eiserne "Nähe" mit Holzdeck, das für große Gespanne und später für sechs Autos reichte.

Wie in der zum Doppel-Jubiläum von Günter Fillbrunn und Klaus Backes verfassten Chronik zu lesen ist, wollte man Ende des 19. Jahrhunderts schon zum Hochseil-Betrieb wechseln, blieb dann aber beim Halteseil im Fluss. Erst Mitte der 1970er kam das Hochseil an zwei Masten. Seither kann man dem Schiffsverkehr, der Vorfahrt hat, nach beiden Uferseiten ausweichen. 105 Jahre lang tuckerte dieses Fährschiff von morgens bis abends "dä Negga riwwer un niwwer...", wie es im Buchtitel von Günter Fillbrunns 2007 in Dialekt gereimter Fähr- und Neckar-Chronik heißt. Dann wurde eine an der Havel durch Brückenbau arbeitslos gewordene, etwas größere Fähre gekauft. Die ausrangierte "Heidelberg 004" lag noch einige Zeit beim alten Fährhäuschen. Es gab Anregungen, den Oldtimer zu erhalten, etwa als Kerwe-Bühne beim Bad-Parkplatz. Doch fand dies kommunal keine Unterstützung, auch Ladenburg hatte kein Interesse. Die Fähre wurde abgewrackt.

Zwei Generationen zuvor, im März 1945, wäre es schon einmal fast um sie geschehen: Kurz vor Kriegsende sollte sie wie die Eisenbahnbrücke von der Wehrmacht gesprengt werden. Da setzten die Fährleute ihr Schiff lieber selbst im Fluss auf Grund. Dabei kam ein französischer Kriegsgefangener ums Leben, als sich das Beiboot, in dem er stand, aufstellte. Obwohl Nichtschwimmer, sprang er in Panik vom Boot und ertrank. Die Fähre aber konnten die Färcher bald nach der Ortsbesetzung durch die US-Truppen wieder heben und weiter nutzen. Von vielen anderen Begebenheiten, leider auch von Unfällen berichtet die Chronik. So fuhren im Sommer 1945 drei US-Soldaten im Jeep zur Anlegestelle. Statt daneben auf die Pontonbrücke brausten sie auf die Fähre und drüber hinaus in den Neckar. Alle drei starben. Frisch noch ist die Erschütterung über den tragischen Unfall vorigen Herbst, bei dem ein älteres Ehepaar ums Leben kam, als das Auto plötzlich losfuhr und in den Fluss stürzte. Großes Glück hatte dagegen 1971 ein junger Mann, der in einem geliehenen Straßenkreuzer auf der Fähre mit dem Gas spielte. Prompt schoss der Buick ins Wasser, blieb aber an der Oberfläche; durchs Fenster konnte sich der Leichtsinnige retten.

Die Eis-Katastrophe 1784, die Bestandssorgen durch den Brückenbau 1927 in Seckenheim und ab 1932/33 die zusätzliche Konkurrenz durch den Fußgängersteg, daneben Episoden, Anekdoten und noch Vieles mehr gäbe es aus der langen Geschichte zu erzählen. So seien die genannten Bücher empfohlen sowie das Fährkapitel des RNZ-Schreibers im Band 7 der "Bausteine zur Ortsgeschichte". (sti)