Lautstark machten sie auf ihr Anliegen aufmerksam, gaben aber auch handfeste Tipps zum Klimaschutz im Alltag: Knapp 100 junge Demonstranten forderten im Vorfeld der jüngsten Wieslocher Gemeinderatssitzung die Kommunalpolitik zum Handeln auf. Foto: Pfeifer
Wiesloch. (seb) "Glaubt ihr, das hat der Gemeinderat gehört? Noch lauter!" Mit Musik, Pfiffen, eingängigen Parolen und Buh-Rufen machten knapp 100 junge Demonstranten am Mittwoch im Rahmen der "Fridays for Future"-Bewegung auf dem Wieslocher Rathausplatz auf die Notwendigkeit des Klimaschutzes aufmerksam. Anlass waren zwei Tagesordnungspunkte der wenig später beginnenden Gemeinderatssitzung bezüglich eines Klimaschutzkonzepts der Stadt und des Erhalts der Artenvielfalt.
Bei aller Lautstärke standen Sachinfos und alltagsnahe Tipps im Mittelpunkt der Reden. "Fridays for Future" versuche, die Bundespolitik zu beeinflussen, "wir müssen aber auch lokal handeln", sagte der 14-jährige Henrik Wieditz, "darum sind wir hier". Zwar habe Wiesloch beschlossen, bis 2040 klimaneutral zu sein, "das ist aber reichlich spät". 2013 ein Klimaschutzkonzept abzulehnen, sei ein Fehler gewesen, "den wir uns nicht mehr leisten können", ebenso beispielsweise die Ablehnung des Verbots von Plastikplakaten zur Kommunalwahl letztes Jahr. Zudem kritisierte Wieditz, dass der Rat einen Bahnanschluss an den Industriepark abgelehnt hat, den Heidelberger Druckmaschinen auf einem Teil seines Geländes plant. Noch mehr Verkehr auf der Straße statt der Schiene sei das Gegenteil dessen, was man heute brauche. Sein Appell an den Gemeinderat: "Denken Sie an Ihre Kinder und Enkel, denen Sie hoffentlich nicht ins Gesicht sagen wollen: ’Wir wussten Bescheid, aber es war uns zu teuer’."
Dass die hiesigen "Fridays for Future"-Jugendlichen auch in ihrer Freizeit und ganz konkret etwas für Klima und Artenschutz tun, legte Pauline Becker (16 Jahre) dar und hoffte, damit viele andere Menschen zum Nachahmen zu motivieren. In ihren Schulen hätten sie "Kleidertausch-Partys", mit denen man günstig und umweltschonend an neue Outfits kommt, zudem habe eine Gruppe Jugendlicher geholfen, das Naturschutzgebiet "Frauenweiler Wiesen" zu pflegen und zu säubern. "Wir haben Initiative gezeigt", betonte sie, Klimaschutz-Proteste seien "mehr als Schuleschwänzen". Während andere "die Risse in der Schulfassade begutachtet" hätten, seien die Schüler aktiv geworden, hätten fürs Leben gelernt. Gemeinderat und Oberbürgermeister Dirk Elkemann seien verpflichtet, Wiesloch nachhaltig und energieeffizient zu gestalten, etwa den Radverkehr zu fördern und Anreize für die Bürger zu schaffen – "wir leisten unseren Beitrag".
"Auch die kleinsten Dinge helfen": Dem Klimaschutz im Alltag widmete sich Johanna Fritz (15): So sollte man den Fleisch- und auch Milchkonsum zumindest reduzieren sowie regional und saisonal einkaufen. Plastik und vor allem Mikroplastik etwa in Hygieneartikeln könne man mit Holzzahnbürsten, festem statt flüssigem Shampoo und Zahnputz-Tabletten vermeiden. Trinkflaschen und Brotdosen statt Tüten, Recycling-Papier, Rad, Bus und Bahn statt Privatauto, Fahrgemeinschaften, Licht aus, wenn man den Raum verlässt: "Es gibt keine Ausrede, nichts zu tun."
Second-Hand-Kleidung, kein Fleischkonsum, mit der Familie per Zug in den Urlaub: Jeder Einzelne könne etwas beitragen, meinte auch Franziska Wilke (15). Sie stellte auch die Erfolge der "Fridays for Future"-Bewegung heraus: "Die Leute nehmen den Klimaschutz immer ernster, seine Wichtigkeit herunterzuspielen oder den Klimawandel zu leugnen, fällt immer schwerer." Massive Kritik übte sie an einigen Bundespolitikern, die "Fridays for Future" herabgesetzt und die Notwendigkeit zu handeln abgestritten hatten.
Mit erschreckenden Details zu Müll im Meer, besonders Mikroplastik, wartete Arta Sayyad Mobarhan (zwölf) auf. Mehr als acht Millionen Tonnen landeten jährlich in den Ozeanen, vergifteten die Tierwelt oder ließen sie mit vollem Magen verhungern. Der Müll lande schließlich auch wieder auf unseren Tellern, argumentierte der Zwölfjährige und übte Kritik an der Wegwerfgesellschaft: "Unsere Liebe zu Plastik ist groß, unsere Bereitschaft zu recyceln weniger."
Viel Lob für die Jugendlichen gab es von Versammlungsleiter Jaric Krumpholz, SPD-Gemeinderat aus Dielheim, und Pavel Mihaylov, ehemaliger Wieslocher Jugendgemeinderat, für das "starke Zeichen für den Klimaschutz". Mit Blick auf die verheerenden Folgen des Klimawandels weltweit ermutigten sie die Demonstranten, zu zeigen, was sie von der Politik erwarten.