Von Sebastian Lerche
Walldorf. Walldorfs Kämmerei hat die Erwartungen fürs nächste Jahr deutlich heruntergeschraubt, das wurde in der jüngsten Gemeinderatssitzung offenbar. So erwartet man im Haushaltsplan mit 120 Millionen Euro zwar immer noch vergleichsweise hohe Gewerbesteuereinnahmen, aber weitaus weniger als in den Vorjahren. Noch dazu musste Rechnungsamtsleiter Boris Maier Risiken einkalkulieren: Zu befürchten ist, dass Walldorf von seit 2002 eingenommenen Gewerbesteuern 60 bis 80 Millionen Euro zurückerstatten und überdies Zinsen von 20 Millionen Euro zahlen muss.
Andererseits hat Walldorf Geldanlagen in Höhe von über 600 Millionen Euro. Selbst wenn man das Abschmelzen 2021 sowie gebundene Mittel für Zahlungsverpflichtungen und eine "eiserne Reserve" einbezieht: Die Stadt verfügt immer noch über frei verwendbare 194 Millionen Euro. Übrigens erhält Walldorf für seine Geldanlagen Zinsen von wenig mehr als drei Millionen Euro jährlich – dieser Effekt der Nullzinspolitik wird leider nicht im Fall der Gewerbesteuer-Rückzahlungen spürbar, die sehr viel höher verzinst werden müssen.
Gut sieben Jahre ist Boris Maier nun Walldorfs Kämmerer, daher weiß er, was die Wirtschaft, vom größten Steuerzahler SAP über den Mittelstand bis zu den kleineren Unternehmen leisten kann. Trotz Coronakrise und dank der Ausgleichszahlungen von Land und Bund in Höhe von 45 Millionen Euro erwartet Maier Gewerbesteuereinnahmen von 225 Millionen Euro in diesem Jahr.
Den Haushaltsplan stellten (v.li.) Kämmerer Boris Maier, seine Stellvertreterin Monika Wolk und Bürgermeisterin Christiane Staab vor. Foto: PfeiferDaher zeigte er sich zuversichtlich, dass die Stadt "nicht wie befürchtet von der Coronakrise tangiert wird". Er rechne sicherheitshalber konservativ, die 120 Millionen an Gewerbesteuern werde man aber sehr wahrscheinlich erreichen. Die Einkommenssteuer macht 10,6 Millionen, die Umsatzsteuer knapp 12 Millionen aus, Gebühren, Mieten, Zuschüsse und andere Einnahmen zusammen gut 14 Millionen Euro. Grundstückserlöse – hauptsächlich vom Wohngebiet "Walldorf Süd II" – und weitere Einnahmen ergeben zusammen über 13 Millionen Euro.
Die Personalkosten fallen 2021 mit gut 20 Millionen etwas niedriger aus als dieses Jahr. Fast 13 Millionen fallen für die Kinderbetreuung, Vereinsförderung, öffentlichen Personennahverkehr und andere Zuweisungen an, Sach- und Dienstleistungen schlagen mit über 15 Millionen zu Buche. Unterhaltungsmaßnahmen sind mit über drei Millionen Euro veranschlagt: Sie betreffen Straßen, Kanäle, Schulen, weitere Gebäude sowie Naturschutz und Landschaftspflege.
Die Baumaßnahmen sind Maier zufolge halb so umfangreich wie in den Vorjahren: Sie liegen bei gut 14 Millionen Euro. Großprojekte wie die Erweiterung des Schulzentrums sind praktisch abgeschlossen, dort werden 2021 nur noch Restarbeiten erledigt und die Außenanlagen gestaltet. Städtischer Wohnungsbau, Renovierungen öffentlicher Gebäude, Aufwertung von Sportanlagen, Straßensanierungen, Grünanlagen, Hochbau am Tierpark sowie weitere Bauprojekte stehen zudem an.
5,5 Millionen sind für den Grundstückserwerb eingeplant, für die Ausrüstung der Feuerwehr gemäß dem im Oktober verabschiedeten Bedarfsplan sowie für die Ausstattung von Spielplätzen, Schulen und weitere Anschaffungen fallen knapp drei Millionen an. Nach dem Rekordjahr 2019 werden nächstes Jahr auch Umlagezahlungen auf Rekordniveau fällig: für Gewerbesteuern fast 16 Millionen, für den kommunalen Finanzausgleich über 74 Millionen und an den Kreis knapp 62 Millionen.
Nachdem eine Rückstellung in Höhe von rund 88 Millionen aufgelöst und damit als Einnahme gebucht wurde, weist der Ergebnishaushalt ein Plus von gut 85 Millionen auf. Davon müssen jedoch noch knapp 65 Millionen Euro für den laufenden Betrieb aufgewendet werden, sodass das ordentliche Gesamtergebnis etwas über 20 Millionen Euro beträgt.
"Mit Optimismus" blickte Bürgermeisterin Christiane Staab nach vorn, "alles andere würde nicht zu mir passen". Zwar liege ein von der Corona-Pandemie geprägtes Jahr hinter den Menschen. Doch der Haushaltsplan spiegele auch ihre Erwartung wider, 2021 "auf dem Weg zurück in die Normalität" zu sein. Vor allem sei dazu "ein gemeinsamer Kraftakt" aller Menschen nötig: um die Fallzahlen zu senken. "Wer sich dem widersetzt, sei es aus Misstrauen, aus Bockigkeit oder Ignoranz, muss jetzt an die Kandare genommen werden." Sie zeigte sich allen Menschen gegenüber dankbar, "die alles geben, damit Deutschland, Baden-Württemberg und Walldorf am Laufen bleiben". Sie würdigte auch die Treue der großen und kleinen Unternehmen zum Standort Walldorf und sicherte zu, dass Walldorf sie nach Kräften weiter gut durch die Krise begleiten wolle.
Auch konservativ kalkuliert machen die Gewerbesteuern mit 120 Millionen Euro den Löwenanteil der Einnahmen aus. Grafik: StadtJetzt gehe Walldorf daran, die städtischen Wohnungen zu sanieren sowie neuen Wohnraum beispielsweise im Gebiet Heidelberger- und Hebelstraße zu schaffen. In "Walldorf Süd II" komme es leider wegen aufwendig und teuer zu entsorgender Schadstoffe im Boden zu Verzögerungen, da bat die Bürgermeisterin die Bauinteressenten um Geduld.
Die Stadt werde weiter an einer zeitgemäßen Infrastruktur arbeiten, etwa was Abwasser und Trinkwasser angeht. Ans schnelle Internet per Glasfaser seien Gewerbegebiete und städtische Gebäude schon angeschlossen, "einzig beim Mobilfunk gibt es große Lücken", räumte Staab ein. Hier liege der Ball beim Gemeinderat: "Wenn aus Schulzentrum oder Astoria-Halle kein Notruf abgesetzt werden kann, sind Menschen in Gefahr, das ist nicht hinnehmbar."
Die Bürgermeisterin machte dem Gemeinderat auch überdeutlich, wie enorm das Arbeitspensum der Verwaltung ist, von Machbarkeitsstudien über Planungen bis zu konkreten Forderungen des Rats. Sie betonte, dass beispielsweise die Computerausstattung der Schulen selbstverständlich wichtig sei, sie sich aber "standardisierte, handhabbare Lösungen" vorstelle, stattdessen aber "ein regelrechtes Wunschkonzert" aller Schulen entstanden sei – das sei schlicht nicht umsetzbar.
Erfreulich im nächsten Jahr werden Staab zufolge sicher das Nachholen von Großveranstaltungen, die eigentlich für dieses Jubiläumsjahr zum 1250-jährigen Bestehen Walldorfs geplant waren. Und spannend werde – mit Blick auf ihre Landtagskandidatur – sicher, "ob dies meine letzte Haushaltsrede war und im Superwahljahr 2021 noch eine Bürgermeisterwahl dazukommt".