Walldorf

Frisches A cappella mit Verstand

Die fünf von "Anders" begeisterten ihr Publikum beim Auftakt zum Walldorfer Zeltspektakel - Gefühlvoll, heiter, ohne Klamauk

28.08.2019 UPDATE: 29.08.2019 06:00 Uhr 2 Minuten, 17 Sekunden

Überzeugten im Spektakelzelt mit feinsinnigen Texten und glasklarem Gesang: (v.li.) Adrian Goldner, Fabian Weithoff, Johannes Berning, Johannes Jäck und Moritz Nautscher. Foto: Pfeifer

Von Sebastian Lerche

Walldorf. Wie kann man heute noch "anders" sein auf dem vielfältigen Gebiet der Kleinkunst? Wie kann man sich von anderen A-Capella-Truppen abheben? "Sei einfach du selbst" müssen sich die fünf "Jungs, die singen" aus Freiburg gedacht haben, als sie sich "Anders" nannten. Sie gestalteten im praktisch ausverkauften Zirkuszelt gemeinsam mit 270 bestens aufgelegten, geistesgegenwärtigen Gästen einen fulminanten Auftakt zu zwei Wochen Zeltspektakel.

"Viel Lärm um dich" lautete der Titel des Programms. Johannes Berning, Adrian Goldner, Johannes Jäck, Moritz Nautscher und Fabian Weithoff überzeugten mit kultivierten, glasklaren Stimmen, aus denen sie alles herausholten. Sie harmonierten bestens und boten vielfältige Klänge von Ballade über Hip-Hop und Elektro-Pop bis zu Beatboxing und Bodypercussion, wenn Lippen, Zunge, aufgeblasene Wangen oder der ganze Körper als Instrumente dienen. Hauptsächlich sangen sie auf Deutsch, mit englischen und französischen Liedern zeigten sie ihre Vielseitigkeit. Ihre Choreografien waren stimmig, nicht übertrieben, sondern passend zur Stimmung des Songs und in einem Fall pure Persiflage auf das Tanzen von "Boygroups", mit denen "Anders" auf keinen Fall verglichen werden will.

Dabei wirkten die fünf stets frisch und authentisch, erklärten etwa ihre "Loop-Station", die bestimmte Klänge endlos wiederholen und so für die Begleitung sorgen kann. Da wurde schon mal eine Anmoderation versemmelt und anschließend zum Running Gag gemacht, immer wieder gab es selbstironische Anekdoten übers Musikerdasein und ihre Anfänge vor 13 Jahren in Heidelberg.

Zudem boten sie schräge Einblicke in ihre Proben oder die Entstehung der Songs. "Anders" schreibt die Lieder nämlich überwiegend selbst. Und dabei sticht eines hervor, das sie wohltuend vom hinlänglich bekannten Klamauk-Hintergrundrauschen abhebt: Sie bleiben über der Gürtellinie, sparen sich die Schenkelklopfer und setzen nicht die naheliegenden Pointen.

Das romantische Lied "Hallo" mit Frühlingstags-Impressionen, die fast ins Kitschige abzurutschen drohten, hätte sich zum Beispiel für eine ironische Brechung geradezu angeboten, plötzlich rennt etwa die Angebetete weg oder ist jemand anderer als erwartet, das kennt man ja. Es wäre vermutlich ein schnell erzielter Lacher gewesen. Aber "Anders" hielt die vergnügte Schwärmerei durch, bestach durch Charme und Freude an der Musik.

Überhaupt gestaltete sich das Konzert ganz passend zu einem lauen Sommerabend sehr gefühlvoll. Das sei die "Schuld" von Johannes Berning, hieß es, der die meisten Songs für "Anders" schreibt und als Lieblingsthema eben die Liebe hat. Auch in "Nachts nackt baden": Das Lied überzeugte mit einer zwar erotischen, dabei aber feinsinnigen Schilderung, die viel der Fantasie der Zuhörer überließ.

Absolut mitreißend war einer der ersten Songs, "Viel zu lang nicht mehr getanzt", und nicht nur wegen des feschen Hüftschwungs der fünf. Das Lied barst geradezu vor ansteckender Lebensfreude und rief beim Publikum wahre Begeisterungsstürme hervor. Eine lustige Einlage gelang mit dem "Zappen" durchs Fernsehprogramm, als wäre man auf seiner Fernbedienung eingeschlafen: Tatort, Sandmännchen, Miss Marple oder Heidi waren sofort an ihren Melodien zu erkennen, die teilweise überspitzt und damit sehr komisch rüberkamen.

Wie ein Seitenhieb auf die eher geschmacklosen Traumfrau-Schilderungen in Liedern kam "Jungs, die singen" daher: Die Traumfrau der fünf von "Anders" muss nämlich nur eine Eigenschaft haben: solche Jungs zu mögen. Zugleich war es eine Hymne an die wohltuende Wirkung von Musik, wie man sich hineinversenken, entspannen und in ihr zu sich selbst finden kann.

Nachdenklich können sie auch: Das zeigten sie mit "Alles wird gut" und "Kommen und Gehen", Songs, die Mut machen und die wichtigen Fragen auf heiter-gelassene Art stellen, anstatt ins Verkniffen-Grüblerische abzudriften. Natürlich wurden die fünf mit kräftigem, anhaltendem Beifall belohnt und durften das Zelt nicht ohne Zugaben verlassen. Sie verabschiedeten sich unter anderem ganz ohne Mikrofone mit einem innigen "Guten Abend, gut’ Nacht".

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