Der Frühjahrs-Abschlussball im Harres, der immer kurz vor Ostern stattfindet, musste Corona-bedingt in diesem Jahr abgesagt werden. Er soll Anfang Oktober nachgeholt werden. Foto: privat
Von Benjamin Starke
Walldorf. Seit 31 Jahren betreibt Sabine Mayer-Kronenberg ihre Tanzschule im Herzen Walldorfs an der Drehscheibe, direkt gegenüber der evangelischen Stadtkirche. Seit dem 14. März ruht der Betrieb in den beiden Tanzstudios corona-bedingt: "So lange hatten wir noch nie geschlossen", zeigt sich Sabine Mayer-Kronenberger im RNZ-Gespräch besorgt. Zugleich besteht Hoffnung: Das Ordnungsamt hat den Betrieb der Tanzschule seit Dienstag mit einem neuen Hygienekonzept wieder freigegeben.
Zunächst spitzte sich die Lage Mitte März in der Tanzschule durch die Corona-Pandemie immer weiter zu: Während mache Tänzer sich eine Schließung überhaupt nicht vorstellen konnten und 50 Anfänger-Jugendpaare ihrem Abschlussball im "Harres" am 28. März entgegenfieberten, kamen andere Tanzpaare aus Sorge um die Gesundheit und ein mögliches Ansteckungsrisiko nicht mehr. Mit dem Beschluss zur Schulschließung am 13. März war klar, dass auch die Tanzschulen im Land ihre Pforten schließen müssen.
Sabine Mayer-Kronenberger. Foto: privatDer jährliche Höhepunkt der Frühjahr-Saison, der Abschlussball kurz vor Ostern, musste zunächst auf den 27. Juni verlegt werden. "Mir ist es ganz wichtig, in allen Situationen regelkonform zu arbeiten. Aber mit 550 Gästen, Showband, Harres-Personal und unseren Formationen – also rund 700 Personen – eine rauschende Ballnacht im Harres zu feiern, war und ist aktuell unvorstellbar", so die Betreiberin.
Deshalb wird der Ball erneut verschoben: "Ich hoffe jetzt auf den 2. Oktober, vorausgesetzt, die Jugendlichen können vorher ihre noch ausstehenden Kursstunden in der Tanzschule absolvieren", so Mayer-Kronenberger. "Wir mussten ja mitten in der Saison den Betrieb einstellen, da fehlen in allen Kursen noch zwei bis drei Wochen."
Neben Organisatorischem beschäftigte die Verantwortlichen die Frage, wie wieder Leben in die Walldorfer Institution eingehaucht werden kann. "Wir haben in über 30 Jahren verschiedenste Tiefen überstanden – gesundheitliche genauso wie die schwachen Tanzschulen-Jahre 1995/96 – aber aus dieser Krise zu kommen, in die wir völlig unverschuldet geraten sind, brachte mir täglich ein Wechselbad der Gefühle zwischen Verzweiflung und Hoffnung", berichtet Mayer-Kronenberger. "Vor allem das menschliche Miteinander und der Kontakt zu unseren fast eintausend Tänzern fehlt mir enorm!"
Dabei wird das Team rund um Sabine Mayer-Kronenberger von einer breiten Welle der Solidarität durch die hauseigenen Tänzer getragen. Vor Corona kamen wöchentlich fast 200 Erwachsenen- und Jugend-Tanzpaare in die Tanzkreise, 150 Kinder besuchten die Kinderkurse, 120 Erwachsenen- sowie 140 Jugend-Paare kamen in die Tanzkurse.
Nur durch die große Solidarität der Tanzkreis-Paare, die nahezu alle an ihren monatlichen Zuwendungen festhalten, besteht die Hoffnung, dass die Tanzschule wieder öffnen kann. "Besonders aus den vielen positiven Nachrichten unserer Tänzer und deren Eltern kann ich Kraft schöpfen", betont Sabine Mayer-Kronenberger.
Daraus entstand ein Acht-Minuten-Video-Schnitt "Wir sind Kronenberger" der Tänzer aus dem Zu-Hause-Unterricht, welches auf Youtube veröffentlicht wurde. Für die Übungsstunden zu Hause stellt die Tanzschule ihren Mitgliedern inzwischen über 150 Videos zu den unterschiedlichsten Figuren aller Standard- und Lateintänze zur Verfügung, um diese daheim nachtanzen zu können.
Die Öffnung am Dienstag geschah unter massiven Auflagen. Denn in einem 14-tägigen Probebetrieb können sich die erwachsenen Tänzer der Tanzkreise einmal wöchentlich online einen Tanz-Zeit-Slot buchen. Im Erdgeschoss fanden sechs Paare und im Studio 1 acht Paare auf dem Walldorfer Parkett Platz. Dort wurden und werden auch in Zukunft zunächst nur stationäre Tänze unterrichtet, die jedes Paar in seinem festen Bereich, der auf dem Parkett abgeklebt ist, tanzen kann. Zu solchen Tänzen zählen Cha-Cha-Cha, Rumba, Disco Fox, Salsa und Jive.
"Das wird nur funktionieren, wenn unsere Tänzer mitziehen. Aber mir blutet jetzt schon das Herz, wenn ich an unsere engagierten Jugendlichen denke, die werden vorerst nicht zurückkommen!", denn nur wer in einer häuslichen Gemeinschaft lebt, darf sich auf dem Parkett nahekommen. "Es lief alles super ab. Die Leute haben ihre Masken getragen, Hände desinfiziert, sind nacheinander an ihren Platz gelaufen und haben sich insgesamt sehr gut an die Maßnahmen gehalten", berichtet Mayer-Kronenberger. Außerdem wird während des Tanzkurses und nochmals für 20 Minuten danach jedes Mal gut durchgelüftet. Zudem ist erstmals in den großen Ferien keine Sommerpause geplant, sondern die Tänzer könnten "Urlaub in der Tanzschule" machen.
"Wir waren so aufgeregt vor unserer Öffnung und jetzt hat alles so gut geklappt. Wir hoffen, dass es jetzt auch für die Jugendlichen im Juli wieder anders ist. Die sind total enttäuscht", so die Inhaberin weiter. Bisher dürfen in Baden-Württemberg – im Gegensatz zu anderen Bundesländern wie Nordrhein-Westfalen – nämlich nur erwachsene Paare am Tanzunterricht teilnehmen, die aus einem Haushalt stammen.
Aber auch für die Zukunft verliert Mayer-Kronenberger die Hoffnung nicht: "Ich hoffe, dass die Leute wieder zum Tanzen kommen und wir später, wenn die Krise vorüber ist, in Walldorfs Herz wieder gemeinsam tanzen."