Vor der Wand, die in der Theodor-Heuss-Realschule den Austauschschulen gewidmet ist: (v.li.) Klaus Gerstweiler, Florentine Riedlinger und Ute Kern-Mannschott. Foto: Rößler
Von Armin Rößler
Walldorf. "England ist etwas komplett anderes", stellt Florentine Riedlinger fest und meint das überhaupt nicht negativ. "Ich bin dankbar, dass ich das erleben durfte." Die Neuntklässlerin an der Walldorfer Theodor-Heuss-Realschule war vergangenes Jahr beim Austausch mit dem Westwood College in Leek/England dabei und hat viele spannende Erfahrungen machen dürfen: "Die Gastfamilie war super nett", sagt sie, auch mit ihrem Austauschschüler sei sie gut ausgekommen. Weniger begeistert war sie nur vom Essen: "Wir haben eher so kleine Snacks mitbekommen, eingepackt in Plastik." Alles in allem steht für sie trotzdem fest: "Das war eine richtig tolle Erfahrung."
"Das ist der älteste Austausch an diesem Schulzentrum", erzählt Ute Kern-Mannschott, Fachleiterin Englisch. Es gebe ihn schon seit den achtziger Jahren, anfangs am Gymnasium, später wurde er von der Realschule "übernommen". Klaus Gerstweiler, Koordinator des Austauschs, ist "besonders stolz" darauf, dass es sich um einen "Eins-zu-eins-Austausch" handelt, alle Schüler in Gastfamilien untergebracht werden, ebenso die Engländer in Walldorf. "Da lernt man das wirkliche Leben kennen", sagt Gerstweiler, und es entstünden echte Freundschaften unter den Schülern, aber auch unter den Lehrern. "Das ist ja auch ein Ziel des Austauschs." Florentine Riedlinger bestätigt das: "Wir sind noch in gutem Kontakt", in den Osterferien planen sie und eine Freundin, ihre letztjährigen Austauschpartner zu besuchen. "Die englischen Mamas weinen immer beim Abschied", sagt Ute Kern-Mannschott.
In England ist schon das Schulgebäude etwas ganz Besonderes: Das College befindet sich in Westwood Hall, einem alten Herrenhaus aus dem 17. Jahrhundert, "wie bei Harry Potter", schwärmt Gerstweiler. Umgekehrt staunten dann die Engländer in Walldorf, wie modern die Schule doch sei. Zum Programm der Austauschwoche gehört natürlich der Besuch des Unterrichts, auch um das komplett andere Schulsystem kennenzulernen. "Das ist immer abhängig vom ’good will’ der Lehrer, denn es handelt sich um eine Schule auf gymnasialem Niveau", schränkt Ute Kern-Mannschott ein. "Mathe war dort viel schwerer", bestätigt Florentine Riedlinger. Ungewohnt waren die Schuluniformen: "Schön sind sie nicht, aber es war cool, das mal zu sehen."
Neben einer Radtour durch Leek, das in der Grafschaft Staffordshire in den Midlands liegt, standen auch der Besuch des Freizeitparks Alton Towers, Shoppen in Manchester und ein Ausflug nach London auf dem Programm, wo natürlich viel zu wenig Zeit war, um alles zu sehen. "Wir sind schnell durchgelaufen", erinnert sich die Neuntklässlerin, trotzdem sei London einfach "toll". "Es sind drei Stunden Zugfahrt", erklärt Klaus Gerstweiler, mehr als sechs Stunden Aufenthalt in der englischen Hauptstadt seien dann eben nicht möglich und in die habe man richtig "viel reingepackt".
Wenn die Engländer in Walldorf sind, ist der Besuch des Heidelberger Schlosses "ein Muss", das Mercedes-Benz-Museum in Stuttgart kommt immer gut an ("unsere Autos sind in England hoch angesehen", so Gerstweiler), ebenso Speyer oder eine Fahrt nach Straßburg. Florentine Riedlinger hat ihren Austauschschüler mit ins Fußballstadion und zum Sommerrodeln genommen, man hat zusammen Filme geguckt, Pizza gegessen und "Uno" gespielt.
Dass der Austausch dieses Jahr leider nicht stattfindet, hat noch nichts direkt mit dem Brexit zu tun. "Es waren zu wenige englische Schüler", bedauert Ute Kern-Mannschott. Das liege einerseits an den sehr eng getakteten Prüfungen am Westwood College, zum anderen daran, dass dort sehr viele Austausche und Exkursionen angeboten werden. "Es lernen aber auch immer weniger englische Schüler Deutsch", bedauert Ute Kern-Mannschott, "das macht uns ein wenig Sorgen." Ihr Kollege Klaus Gerstweiler meint aber aus Erfahrung: "Alle zwei Jahre gibt es einen starken Deutschkurs", deshalb werde es mit dem Austausch nächstes Jahr auch weitergehen. Allerdings: "Ein Selbstläufer ist das nicht, man muss dran bleiben."
Für die Zukunft wisse man natürlich nicht, "wie sich das mit dem Brexit entwickelt", sagt Ute Kern-Mannschott. Beide Lehrer sind sich einig, dass der Austausch nur durch das Engagement der englischen Kollegen, aber auch der Lehrer und Eltern hierzulande möglich sei. "Da steckt viel Herzblut drin", erklärt Ute Kern-Mannschott. "Es sind Freundschaften entstanden", sagt Klaus Gerstweiler. Sie hoffen, dass die "Erfolgsgeschichte für beide Seiten" trotz Brexit weitergeht. Aber, so Ute Kern-Mannschott: "Was die Politik uns vorschreibt, können wir nicht beeinflussen."
Ein Blick ins Zentrum des 20.000-Einwohner-Städtchens Leek in der Grafschaft Staffordshire. Foto: privat
Eine Schülergruppe aus Walldorf mit ihren englischen Gastgebern (gut zu erkennen an den Schuluniformen) vor dem altehrwürdigen Gebäude, in dem das Westwood College untergebracht ist (li.). Foto: privat