Von Sophia Stoye
Region Wiesloch/Walldorf. Vor rund zwei Wochen verunsicherten zwei mutmaßliche Cyber-Angriffe die Schulen der Region: In Online-Unterricht gelang es einem Täter, während einer Online-Stunde in der sechsten Klasse Musikvideos und mehrere Dateien mit mutmaßlich pornografischen sowie rechtsradikalen Inhalten in den Online-Unterricht einer sechsten Klasse einzuspielen.
Kurze Zeit später wurde auch eine Mannheimer Klasse Opfer eines ähnlichen Angriffs: Die Lehrerin wurde von einem Fremden sexistisch beleidigt, dann erschien auf den jeweiligen Bildschirmen kurzzeitig eine maskierte Person mit einer Schusswaffe in der Hand. Zwar sind dem Polizeipräsidium Mannheim keine weiteren Fälle im Rhein-Neckar-Kreis bekannt, dennoch ist die Thematik für die Schulleiter der Region nichts Unbekanntes.
"Bei uns gab es schon ähnliche Vorfälle, aber das muss man relativieren", erklärt Thomas Lazarus, Konrektor der Theodor-Heuss-Realschule Walldorf. Schließlich werde seit Wochen viel Online-Unterricht gehalten, in der Zeit habe es vier bis fünf kleinere Vorfälle gegeben – das sei verhältnismäßig wenig. "Bei den Vorfällen war auch nichts Schlimmes dabei", ergänzt der Konrektor. Zum Beispiel habe mal ein Schüler während des Unterrichts ständig Musik abgespielt, so dass es die anderen auch hörten. "Aber das war auch niemand von außen, sondern jemand von unserer Schule, der nicht der entsprechenden Klasse angehörte", berichtet Lazarus.
Nun habe man allerdings die Sicherheitsvorkehrungen auf solche Ereignisse angepasst: Innerhalb des Systems, das die Schule verwende, werden die Schülerinnen und Schüler automatisch in einen inzwischen eingerichteten Wartebereich geleitet, von dem aus die Lehrkraft die Schüler für die Unterrichtsstunde freischalten kann. "Natürlich könnte der Link von einem Schüler kopiert und weitergegeben werden, aber Fremde ohne Schuldomain haben keinen Zugriff auf das System", erklärt Lazarus.
Patrick Merz, Schulleiter der Leimbachtalschule in Dielheim, berichtet von ähnlichen Erfahrungen: "Am Anfang vom Online-Unterricht gab es kurze Situationen, in denen jemand in der Stunde war, der da nicht reingehörte", so Merz. Einen dieser Einzelfälle erlebte der Schulleiter selbst in einer Unterrichtsstunde: "Da hat dann ständig jemand Fremdes blöd reingeredet", erklärt Merz, der damals ziemlich überrascht war, dass überhaupt so etwas geschehe.
Die Leimbachtalschule benutzt zwei Systeme, das eine werde durch einen extra Warteraum geschützt, bei dem anderen müsse man erst einen Account haben, der vorab von der Schule autorisiert werde. Diese Sicherheitsvorkehrungen sind bei anderen Schulen unabhängig von der verwendeten Lernplattform ähnlich. "Wenn ein Schüler seinen kompletten Account weitergibt, dann kann natürlich auch jemand Fremdes an der Online-Stunde teilnehmen", erklärt Klaus Heeger, Schulleiter der Hubert-Sternberg-Schule. Schließlich würden die Lehrerinnen und Lehrer auf die Schülernamen achten, könnten aber nicht wissen, wer sich dahinter verberge. "Aber das ist auch noch nicht passiert", so Heeger, der an seiner Schule nur von gescheiterten Versuchen gehört hat.
"Selbst, wenn es jemand schafft, die Hürden zu überwinden, kann er dennoch keine Filme mitschneiden oder selbst zeigen. Das muss alles erst vom Lehrer genehmigt werden", so Merz. Unabhängig vom System, das die jeweiligen Schulen benutzen, berichteten die anderen Schulleiter ähnliches. "Trotzdem kann man nie ausschließen, dass ein Schüler zum Beispiel Teile der Stunde mit dem Handy mit filmt", berichtet Lorenz Kachler, Rektor der Waldschule Walldorf, zu der eine Grund- und eine Hauptschule gehören. Das sei eine der größten Herausforderungen, die man mit den jungen Schülerinnen und Schülern habe.
Dass es vor Kurzem trotz der Hürden Fremden möglich war, externe unangebrachte Inhalte zu teilen, liege daran, dass zuvor viele Schulen in ihrem System keinen extra Wartebereich eingerichtet hatten und jeder, der einen entsprechenden Link hatte, am Unterricht teilnehmen konnte, vermutet der Leiter der Waldschule. Zudem sei es anfangs nicht möglich gewesen, Störer komplett auszuschließen, ergänzt Merz. Sie haben sich immer wieder Zugang verschaffen können – auch das sei nun anders.
Als sicher bezeichnete Svenja Kuhfuß, Schulleiterin des Ottheinrich-Gymnasiums in Wiesloch, die vom Land empfohlene Lernplattform "Moodle", dort seien solche Vorfälle noch nicht vorgekommen. Ebenso noch nicht eingetreten ist der Schulleiterin zufolge der Fall, dass eine Lehrkraft während des Online-Unterrichts gefilmt wurde. "Aber natürlich ist das auch bei uns ein Thema – gerade was den Datenschutz angeht", so Kuhfuß.
Auf RNZ-Nachfrage erklärt Jörg Lauenroth, Pressesprecher des Landeskriminalamts, dass die Verantwortung für die IT-Sicherheit den jeweiligen Schulen, ihren Trägern, den Schulaufsichtsbehörden sowie den Betreibern der Online-Plattformen obliege. Daher werde die Polizei nicht zwingend über entsprechende Vorfälle informiert, zudem erfolge keine explizite statistische Erhebung in der Polizeilichen Kriminalstatistik.
Allerdings: "Eine manuelle Recherche zeigt, dass alleine im Januar 2021 ,Störungen im Rahmen des Online-Unterrichts’ im unteren zweistelligen Bereich bei den Polizeidienststellen des Landes bekannt wurden", erklärt der Pressesprecher. Ob und inwiefern solche Störungen auch strafrechtlich verfolgt werden, hänge vom jeweiligen Sachverhalt ab. "Fallabhängig kommen mehrere Straftaten in Frage wie die Verletzung der Persönlichkeitsrechte oder Urheberrechtsverletzungen", so Lauenroth.