Keine Panik auf der Titanic: Der Parodist und Humorist Jörg Knör verwandelte sich bei seinem Gastspiel im Palatin auch in Udo Lindenberg - täuschend echt. Foto: Barth
Von Christiane Barth
Wiesloch. "Ich wollte mal wieder Lampenfieber haben": Jörg Knör hat zwei Drittel seines Lebens auf der Bühne zugebracht, was ihm fehlt, ist das Gefühl, wieder darin verliebt zu sein. Dass er sich dabei so manche Frechheit erlaubt, um zu provozieren, mal zu schockieren und natürlich vor allem zu amüsieren, gibt er unumwunden zu. Er stand schon auf der Bühne und vor der Kamera, als die Spaßmacher noch Komiker waren, am heutigen Montag sind sie Comedians.
Seine Jubiläumsshow im Palatin war gleichzeitig ein nostalgischer Rückblick. Er steht "seit 40 Jahren auf den Brettern der Welt und seit 60 Jahren auf dem Boden der Tatsachen." Die Gäste erfuhren auch etwas über den privaten Jörg Knör, der vor sechs Jahrzehnten, "vereint mit seinem Zwillingsbruder in einer Fruchtwasser-WG", das Licht der Welt erblickte: "Dresscode: nackig." Bald startete er seine Karriere als Klassenkasper, seither ist "die Lust zu unterhalten bei ihm nicht auszuschalten".
Er entlockte den Besuchern nicht nur kurzatmiges Röcheln wegen lang anhaltender Lachanfälle, sondern auch verklärte Blicke, als er an eine Zeit erinnerte, in der Peter Alexander mit dem Dackelblick, Peter Frankenfeld, Hans-Joachim Kulenkampff, Marika Rökk und Willy Brandt die Fernsehkanäle beherrschten. Jetzt ist Jörg Knör 60 und der Persil-Mann längst zum Betreuten Wohnen gewechselt.
Der Wahl-Hamburger hat sie alle darauf: Gerhard Schröder mit den "Fleischvorhängen vor den Augen", Udo Lindenberg mit dem Rock’n’Roll-Rollator, Papst Benedikt, Karl Dall und Karl Lagerfeld. Ihn als Stimmenimitator zu betiteln, empfände er jedoch als Beleidigung: "Das ist die Diva in mir", sorgte er für Klarheit in eigener Sache. "Sie würden ja auch nicht Leonardo da Vinci als Anstreicher bezeichnen."
Was er jetzt noch erreichen will? "Wenn ich 80 werde, will ich diesen Saal hier ein Mal voll haben." Schon zum zweiten Mal war der Kabarettist, der es bei Rudi Carrells Show "Am laufenden Band" 1975 erstmals vor die Kamera schaffte, im Palatin. Doch auch diesmal blieb der Minnesängersaal halb leer. 125 Gäste waren gekommen. Dennoch: "Ich brauche keine Arena, ich freue mich, dass Ihr da seid", zeigte er sich auf Augenhöhe.
Sein Stimmenrepertoire umfasst nicht nur Figuren wie Wum und Wendelin, sondern auch Politik-Größen wie Angela Merkel und Helmut Schmidt. Bei all seinem Talent, Berühmtheiten zu verkörpern, auf deren Charakteren er in seinem kabarettistischen Rodeo herumreitet, zeigt Jörg Knör auch Tiefe, die seinem augenzwinkernden Blick auf die Promis von damals und heute eine solide Basis gibt, die tiefer reicht als der Humor mancher Arena-erprobten Comedians: "Jeder Mensch hat ein besonderes Leben", so Jörg Knör völlig ernst.
Das Sahnehäubchen seiner parodistischen Persiflage hob er sich bis zum Schluss auf: "Mach mal die Inge", skandierten die Gäste. Bei Inge Meysel, auch ein Highlight seiner letzten Show im Palatin Ende 2018, brüllten die Zuschauer vor Lachen.
Den Unterschied zwischen Wiesloch und Walldorf definierte Jörg Knör übrigens mit einem Kürzel: "SAP, sichtbar am Portemonnaie."