Weihten die Kunstwerke ein: (v.li.) Dieter Bonk (städtische Wohnungsbaugesellschaft), Claudia und Mario Urlaß, Grete und Dr. Helmut Bergdolt und OB Dirk Elkemann. Foto: Pfeifer
Von Anton Ottmann
Wiesloch. Auf den ersten Blick wirken die Zahlen 1, 1, 2, 3, 5, 8 willkürlich gewählt und doch muss die nächste Zahl 13 sein: Jede neue Zahl besteht aus der Summe der zwei vorherigen. Diese "Spielerei" wird Fibonacci-Sequenz genannt, nach einem berühmten Mathematiker des Mittelalters, der damit das Wachstum einer Kaninchen-Population beschrieb. Die Zahlenfolge, die sich beliebig weiterführen lässt, war in der Antike schon den Griechen und Indern bekannt und man findet sie in der Natur, beispielsweise in der Konstruktion eines Schneckenhauses. Es gibt auch einen Zusammenhang zum "Goldenen Schnitt" mit seinem für das menschlicWieslohe Auge ästhetisch idealen Verhältnis.
Letzteres ist wahrscheinlich auch der Grund, warum die Fibonacci-Zahlen immer wieder von Künstlern aufgegriffen werden. So auch von Claudia Urlaß, die im Auftrag der Bürgerstiftung "Kunst für Wiesloch" zwei Wandelemente für die Wohnanlage in der Schwetzingerstraße 50 gestaltet hat. Das Gebäude wurde von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft auf dem ehemaligen Postgelände erstellt. Urlaß hat die ersten sieben Zahlen der Fibonacci-Folge auf gerade Linien übertragen, die sie innerhalb eines Quadrats im gleichen Abstand nebeneinander auftrug. Aus diesem Grundmuster entstanden durch Drehungen und Spiegelungen 49 unterschiedliche Quadratbilder, die sie in einer vier Quadratmeter großen "Wand" so zusammenfügte, dass von Quadrat zu Quadrat die Linien weiterlaufen. Am Ende entstand ein Geflecht, bei dem in der Gesamtansicht überraschenderweise kreis- und ellipsenähnliche Leerstellen zu sehen sind. Die Vorlagen der beiden unterschiedlichen "Wände" wurden dann in der "Karlsruher Majolika" im Siebdruckverfahren auf Fliesen aufgebracht und gebrannt, einmal in Schwarz, einmal in der Kombination zweier Rottöne. Sie wurden als Gesamtkunstwerke vor den beiden Hauseingängen montiert.
Beim ersten Bild entsteht durch sich überlagernde senkrechte und waagrechte Striche ein Gitter, das Räumlichkeit simuliert. Das zweite, nur mit senkrechten Strichen gestaltet, erweckt den Eindruck von "aufrecht Wachsendem". Die Muster lassen sich gedanklich sowohl in der Breite als auch in der Höhe beliebig weiterführen in Anlehnung an die Unendlichkeit der Fibonacci-Zahlen.
Die beiden Werke stehen "in der Tradition der ’geometrisch konkreten Kunst’": Das erläuterte Prof. Mario Urlaß, Ehemann der Künstlerin, der an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg Kunst lehrt und die Laudatio hielt. Zugleich lassen sich Bezüge zur "Op-Art" (Optische Kunst) erkennen, deren wichtigster Vertreter Victor Vasarely war (eines seiner Werke ist im Wieslocher Rathausfoyer zu sehen). Trotz der Regelhaftigkeit und Strenge haben für Urlaß die Werke seiner Frau einen ausgesprochen sinnlich-poetischen Charakter. Die Zahlenfolge sei nur der Ausgangspunkt ihres "ausdauernden, intensiven und sensiblen Schaffens" gewesen, in dem sie, wie auch in ihren anderen Werken, um optische und ästhetische Wirkung der Strukturen und Materialen ringe.
Die beiden Wände seien bereits das 32. Kunstwerk, das die Bürgerstiftung "Kunst für Wiesloch" an die Stadt übergeben konnte, erklärte Vorsitzender Dr. Helmut Bergdolt in seiner Begrüßung der zahlreichen Gäste. Es sei ein weiterer Schritt, die Stadt abwechslungsreicher zu machen. Claudia Urlaß sei es gelungen, eine Symbiose zwischen Kunstwerk und Umgebung herzustellen. In seiner Dankesrede würdigte Oberbürgermeister Dirk Elkemann die Aktivitäten des Ehepaares Grete und Helmut Bergdolt: Sie bereicherten seit mehr als 20 Jahren die Stadt immer wieder mit Kunstwerken, was Wiesloch eine individuelle Note verleihe. Die beiden Kunstwerke von Claudia Urlaß verschönerten die Gebäude und gäben ihnen "Pfiff". Es freue ihn ganz besonders, dass sie von einer Wieslocher Künstlerin geschaffen wurden.