Sinsheim/Hockenheim. (tk/pol) Die Lage im Sinsheimer Bahnhofsviertel spitzt sich zu: Mit Schreckschusswaffen sind dort vor wenigen Tagen vier junge Männer auf Raubzug nach Drogen und Dealergeld gegangen. Nachdem die Masche offenbar nicht fruchtete, versuchte es das Quartett am Bahnhof in Hockenheim mit derselben Tour, war aber auch dort nicht in seinem Sinne erfolgreich. Nach einem Zeugenhinweis konnte die Polizei noch am selben Abend – dem vergangenen Dienstag – drei der vier Täter festnehmen.
Zu Details zu den Personen wollte die Polizei – "aus Gründen des Jugendschutzes" – auf Nachfrage keine Angaben machen. Hierauf habe man sich "im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft geeinigt". Die "Heranwachsenden" sind zwischen 15 und 18 Jahren alt und lebten "im Rhein-Neckar-Kreis".
Gehandelt haben die vier Buben jedoch offensichtlich in ausgewachsener Gangstermanier: Während zwei von ihnen laut Polizeibericht "im Auto verblieben und Schmiere standen" , stiegen ein 15-Jähriger und ein 18-Jähriger gegen 20.30 Uhr aus dem Auto und versuchten, zwei Personen auszurauben. Dies passierte, wie die Polizei schreibt, "durch Vorhalten und offensichtliches Durchladen" ihrer Schreckschusswaffen. Als die Opfer sich "nicht einschüchtern ließen und kein Bargeld herausgaben", stiegen die jungen Männer zurück ins Fahrzeug und fuhren davon.
Selbes Spiel, keine Stunde später, in Hockenheim: Gegen 21.30 Uhr versuchte das Quartett "mit gleicher Aufgabenverteilung" von einem 43-Jährigen Drogen und Geld zu erpressen. Doch auch dieser ließ sich durch die zwei Schreckschusswaffen nicht einschüchtern.
Nach einem Zeugenhinweis wurde die Polizei wenig später auf dem Parkplatz des Hockenheimer Bahnhofs auf drei der vier Tatverdächtigen und das Tatfahrzeug aufmerksam. Sie wurden festgenommen und seien nach der Vorführung beim Ermittlungsrichter und der Eröffnung der Haftbefehle in Justizvollzugsanstalten eingeliefert worden.
Der Vorfall vom Dienstag reiht sich ein in zahlreiche ähnliche Vorkommnisse, deren Zahl sich im Lauf der vergangenen Jahre wahrnehmbar vervielfacht hat:
> Am 25. Mai wurden etliche junge Männer und Frauen auf dem Parkplatz in der Muthstraße kontrolliert; vorausgegangen waren Diebstähle im nahe gelegenen "Müller"-Drogeriemarkt.
> Einen Tag später kam es in der Bahnhofstraße zu Prügeleien zweier junger Männer am helllichten Tag, verfolgt von zahlreichen Umstehenden, die sich teilweise solidarisiert hatten.
> Am 10. Juni hatten vor dem Gelände der Post fünf Personen auf einen Mann eingeschlagen, der ein Kleinkind bei sich hatte.
> Am 8. August wurde eine der damals in Sinsheim ausgestellten "Alltagsmenschen"-Skulpturen zwischen Karlsplatz und Friedrichstraße mit Brachialgewalt umgedrückt; ganz in der Nähe davon war der Polizei "eine Körperverletzung zwischen zwei jungen Männern" gemeldet worden.
> Am 19. August musste die Polizei erneut mehrfach ins Bahnhofsviertel ausrücken: Jugendgruppen waren im Morgengrauen randalierend durch die Sinsheimer Innenstadt gezogen, in die Tankstelle des Kraichgau-Raiffeisen-Zentrums war eingebrochen worden.
> Erneut mehrere Gewalttaten beschäftigten die Polizei in der Nacht zum 13. September: Damals war ein 37-Jähriger mitten in der Stadt von Personen, die in einem BMW X5 unterwegs waren, angegriffen und zusammengeschlagen worden, bevor es zu weiteren Schlägereien in der Neuland- und der Lilienthalstraße kam.
Bei der Polizei, die das Bahnhofsviertel in jüngerer Vergangenheit verstärkt kontrolliert, windet man sich und tut sich schwer, Details und Einschätzungen zu Täterprofilen und Lagebildern zu nennen. Zuletzt wurde von "Gruppen, die miteinander ein Problem haben", welches "untereinander geklärt" werde, gesprochen, weshalb Ängste der Bevölkerung "unbegründet" wären.
Allerdings wurden auch "Kapazitätsgrenzen" eingeräumt. Sinsheims Oberbürgermeister Jörg Albrecht sagt, dass er in Kontakt mit dem Mannheimer Polizeipräsidenten Andreas Stenger stehe und man nach Wegen suche, "dem Problem mit einem Konzept zu begegnen".
Update: Donnerstag, 5. November 2020, 18.30 Uhr