Zu wenig Regen lässt die Erde austrocknen. Bei Starkregenereignissen kann das Wasser dann nicht schnell genug im Boden versickern und wird fortgeschwemmt. Foto: Tim Kegel
Von Christian Beck
Sinsheim. Weil es weniger regnet und die Menschen mehr Wasser verbrauchen, gehen die Grundwasserspeicher zurück. Vor diesem Hintergrund muss die Trinkwasserversorgung neu strukturiert werden. So wird in Zukunft mehr auf Bodenseewasser zurückgegriffen werden. Und es müssen Leitungen und Behälter gebaut werden. 2,1 Millionen Euro sind dafür vorgesehen.
> Die Ausgangsbedingungen: Grundwasser bildet sich von November bis April, denn in dieser Zeit brauchen die Pflanzen weniger Wasser und der Anteil, der verdunstet, ist geringer. Im Winter hat es in den vergangenen Jahren aber zu wenig geregnet. Im Vergleich zu den Jahrzehnten zuvor hat sich deshalb seit 2002 landesweit nur wenig Grundwasser neu gebildet. Dies macht sich auch in Sinsheim bemerkbar: So konnten beispielsweise zwei von vier Brunnen im Gewinnungsgebiet Steinsfurt ab September nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr genutzt werden. Der Grundwasserspiegel war schlicht zu niedrig. Parallel nimmt der durchschnittliche Wasserverbrauch seit einigen Jahren zu.
> Die Wasserversorgung in Sinsheim ist in fünf Versorgungszonen unterteilt. Woher und in welchem Anteil das Wasser kommt, ist unterschiedlich. Die größte Zone "Hälde" umfasst Sinsheim, Rohrbach, Steinsfurt, Dühren, Reihen, Adersbach und Hasselbach. Weitere Zonen sind Hoffenheim, Hilsbach/Weiler, Waldangelloch und Eschelbach. Die Zone "Hälde" und Hoffenheim werden mit einer Mischung aus Grund- und Bodenseewasser versorgt. In Hilsbach/Weiler und Waldangelloch sowie Eschelbach gibt es zu wenig Grundwasser, zudem ist dessen Qualität teilweise schlecht. Hilsbach/Weiler und Waldangelloch werden mit Bodenseewasser versorgt, Eschelbach mit Wasser aus dem Rheingraben.
> Ein Blick in die Vergangenheit: Die vielen Versorgungszonen sind historisch gewachsen. Wassermangel war in manchen Stadtteilen früher ein Problem. Martin Siegl, technischer Leiter der Stadtwerke, berichtet von Akten, denen zu entnehmen ist, dass in den 1950er-Jahren in einigen Haushalten in Sinsheim zu manchen Tageszeiten kein Wasser aus dem Hahn kam. Zudem war laut Siegel die Wasserqualität in den 1950er- und auch noch in den 1960er-Jahren teilweise ein echtes Problem.
> Technische Herausforderungen: Momentan wird die größte Versorgungszone "Hälde" nur über einen Hochbehälter versorgt. Er steht nordöstlich von Rohrbach. Wasser aus Sinsheimer Brunnen und Bodenseewasser wird dort vermischt und ins Netz eingespeist. Der Behälter fasst laut Siegl 2000 Kubikmeter. An Spitzentagen würden jedoch 6000 Kubikmeter Wasser daraus entnommen. Der Behälter muss also quasi ständig wieder gefüllt werden. Kommt es zu einer Störung, besteht laut Siegl wenig Zeit, diese zu beheben.
Der Weilerer Sportplatz benötigt viel Wasser. Gewässert wird eigentlich nur nachts. Die Beregnung wurde für das Foto kurz eingeschaltet. Foto: Siegfried Lörz> Herausforderungen beim Verbrauch: Großverbraucher machen sich im Netz bemerkbar, darunter Sportplätze: Im vergangenen Sommer wurden laut Siegl 2183 Kubikmeter Wasser für die Bewässerung des Weilerer Fußballplatzes gebraucht. Im Jahr 2018 waren es fast 4000 Kubikmeter. Das führte laut Siegl dazu, dass der Wasserstand des Hochbehälters in Weiler im Sommer immer mehr sank, da er in der Nacht nicht mehr vollständig aufgefüllt werden konnte. Bevor das Trinkwasser knapp wurde, wurde die Beregnung des Sportplatzes eingeschränkt. Dass die Trinkwasserversorgung im vergangenen Sommer "hart an der Grenze" war, bezeichnet Weilers Ortsvorsteher Manfred Wiedl als "beängstigend".
Weitere Großverbraucher dürften sich hier ebenfalls bemerkbar machen. So erkundigte sich die RNZ bei der Badewelt nach deren Wasserverbrauch. Es sei das Ziel, "ökologisch und nachhaltig zu handeln und die Verbräuche auf ein Minimum zu reduzieren", antwortete Pressesprecherin Julia Uhland. Konkrete Zahlen wollte sie aber nicht nennen.
> Was ändert sich? Die Versorgungszone "Hälde" soll aufgeteilt werden: Dühren, das Gewerbegebiet Sinsheim-Süd sowie Teile der Neulandstraße werden künftig ausschließlich mit Bodenseewasser versorgt. Dazu hat Sinsheim zusätzliche Wasserrechte erworben. Das Wasser ist weicher, die Kaffeemaschine verkalkt künftig langsamer. Für den Menschen sei härteres und somit mineralienreicheres Wasser aber besser, sagt Siegl. Für die Versorgung von Dühren und Teilen Sinsheims wird ein neuer Hochbehälter gebaut. Dieser muss zudem an das Leitungsnetz der Bodenseewasserversorgung angeschlossen werden. Zudem wird ein sogenannter Eigenwassersammelbehälter mit 1000 Kubikmeter Volumen gebaut. Grundwasser wird darin als Puffer gespeichert.
> Bodenseewasser ist begrenzt: Sinsheim hat sich laut Siegl vor Jahren um die zusätzlichen Wasserrechte bemüht. Manche Gemeinden im Sinsheimer Umland möchten laut Baudezernent Tobias Schutz ebenfalls mehr Bodenseewasser, bekommen es aber nicht. Denn das Leitungsnetz ist an der Kapazitätsgrenze. Laut Siegl muss die Hauptleitung in den kommenden Jahren nach und nach vergrößert werden.
> Die Zukunfts-Aussichten sind durchwachsen: Die Sommer sollen trockener werden – mit mehr lokalen Starkregenereignissen – die Winter feuchter. Zumindest der letzte Punkt spricht laut Siegl eigentlich dafür, dass die Grundwasserleiter wieder aufgefüllt werden. Doch der Wasserverbrauch werde weiter steigen. Mit der Neustrukturierung der Trinkwasserversorgung, die nun umgesetzt wird, könne man die nächsten zehn Jahre abdecken. Mittelfristig werde aber wahrscheinlich noch mehr Bodenseewasser benötigt. Und auch andere Wasservorkommen, beispielsweise aus dem Rheingraben, werde man verstärkt nutzen, schätzt Siegl.
> Wasser sparen sei deshalb sehr wichtig, insbesondere, wenn es um die Gartenbewässerung geht. "Der grüne Rasen im Sommer ist ein Anachronismus", findet Siegl. Was Sportplätze anbelangt, regt Siedl Kunstrasenplätze an: Für jenen in Waldangelloch werden pro Jahr lediglich 19 Kubikmeter Wasser benötigt. Dass der Hauptplatz in Weiler zu einem Kunstrasenplatz umgebaut wird, ist laut Johannes Schinko, Vorsitzender des FC Weiler, bisher noch kein Thema gewesen. "Und ich bin froh, dass wir einen Rasenplatz haben", sagt er dazu. Der Fußball, den man darauf spielen kann, sei ein ganz anderer.
> Wasser sammeln? Ein Sinsheimer RNZ-Leser setzt sich vehement dafür ein, Regenwasser aufzufangen und besser zu nutzen. In seinem privaten Garten sammele er 70.000 Liter Regenwasser pro Jahr und versorge damit auch seinen Teich, der sich positiv auf das Kleinklima auswirke. Zudem regt er an, mehr Seen anzulegen – diese könnten der Wasserversorgung sowie der Erholung dienen.