Hier geriet der Mercedes-Fahrer ins Schleudern und erfasste den Motorradfahrer auf dessen Spur. Die Kurve, an der sich der Unfall ereignete, ist wegen der hohen Böschung nicht einsehbar, das Unfallopfer hatte keine Chance. Foto: Christian Beck
Von Christian Beck
Sinsheim. "Eine Tragödie" nennt es Richterin Anna Husmann. Am 16. Juli 2020 war ein 24-jähriger Motorradfahrer zwischen Sinsheim und Weiler von einem Auto erfasst worden und noch am Unfallort gestorben. Das Unfallopfer machte gerade seine praktische Fahrprüfung. Der damals 30-jährige Autofahrer war auf dem Weg ins Krankenhaus. Seine Frau hatte wenige Stunden zuvor ihr Kind zur Welt gebracht. Am Donnerstagnachmittag musste sich der Unfallverursacher vor dem Amtsgericht Sinsheim wegen fahrlässiger Tötung verantworten. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.
Dass der Unfall und seine Folgen wie ein schwerer Schatten auf den Betroffenen liegt, war allen anzusehen. Die Angehörigen des getöteten Motorradfahrers waren als Nebenkläger aufgetreten; sie saßen weinend im Gerichtssaal. Der Unfallverursacher saß zitternd in der Bank. Bei ihm wurde eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, er befindet sich in therapeutischer Behandlung. Er habe Angstzustände. Und er mache seit dem Unfall kaum etwas, außer für seine Familie da zu sein und arbeiten zu gehen, das lenke ihn ab. Seinen Führerschein musste er abgeben, zur Arbeit fährt er seitdem mit dem Fahrrad und der Bahn.
Der Unfall bewegte zahlreiche Menschen: Bei einem großen Trauerzug hatten Angehörige, Freunde und Bekannte des getöteten Motorradfahrers Abschied genommen. Archiv-Foto: Julian BuchnerIn einer Erklärung, die seine Verteidigerin Andrea Combé vortrug, räumt er ein, an diesem Tag die Kontrolle über sein Auto verloren zu haben. Es tue ihm unendlich leid. Wie der Unfall passieren konnte, erkläre sich ihm bis heute nicht. Er sei nicht in Eile gewesen, und als Sinsheimer kenne er die Strecke. Er hatte weder Alkohol noch Drogen konsumiert, war nicht am Handy, auch die Reifen seines Fahrzeugs hatten genug Profil.
Dass er an jenem Juli-Tag mit seinem Geländewagen, einer Mercedes M-Klasse, ins Schleudern und schließlich auf die Gegenfahrbahn geriet, hatte offenbar mehrere Gründe. Vor allem war er zu schnell unterwegs: Die Stelle auf der kurvigen und schmalen Landesstraße weist ein Gefälle von etwa fünf Prozent aus, damals galt dort Tempo 60. Er fuhr aber zwischen 70 und 75 Kilometer pro Stunde, hat der Sachverständige Markus Lorenz herausgefunden. Dies hätte unter normalen Umständen nicht zum Unfall geführt. Doch die Straße war nass. Und der Fahrer abgelenkt, so steht es im Protokoll der Unfallaufnahme. Damals gab er an, überlegt zu haben, was noch alles zu erledigen sei.
Als er merkte, dass sein Auto ins Schleudern kommt, hat er laut dem Sachverständigen gegengelenkt. Als Folge stellte sich sein Auto quer. All das ereignete sich in einer Kurve, die aufgrund einer hohen Böschung nicht einsehbar ist. Der Motorradfahrer aus Obrigheim-Asbach, der laut Sachverständigem mit 50 bis 55 Kilometer pro Stunde unterwegs war, hat das Auto, das ihm auf seiner Spur entgegenkam, eine Sekunde vor dem Aufprall gesehen. Er bremste noch, prallte aber in die Beifahrerseite des Autos und wurde durch die Luft geschleudert. "Er hatte keine Chance und ihn trifft kein Mitverschulden", betonte Oberstaatsanwältin Dorothee Acker-Skodinis in ihrem Plädoyer.
Sie sprach von einem "erhöhten Maß der Pflichtverletzung", eine Geldstrafe sei deshalb "nicht angemessen". Sie forderte eine Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung, zudem eine Geldstrafe und eine weitere Sperrfrist für den Führerschein. Verteidigerin Combé sprach hingegen von einer Sorgfaltspflichtverletzung "am unteren Rand" und verwies auf einen anderen Fall: Im Januar 2016 hatte der Fahrer eines Lieferwagens einen Neunjährigen in der Heidelberger Theaterstraße überfahren und getötet. Der Fahrer war zu schnell unterwegs gewesen, er wurde wegen fahrlässiger Tötung verurteilt, es blieb aber bei einer Geldstrafe.
So auch im aktuellen Fall: 120 Tagessätze à 60 Euro muss der Unfallverursacher zahlen, 7200 Euro also. Richterin Husmann sprach von "mehr als einem Augenblicksversagen", er hätte langsamer fahren müssen. Für ihn spreche jedoch, dass er geständig ist und Reue zeige. Zudem sei er nicht vorbestraft und habe bisher nie Punkte für Verkehrsverstöße bekommen. Seinen Führerschein bekommt er zurück: Es sei nicht davon auszugehen, dass er rücksichtslos oder schnell fahre, dafür sei er "viel zu geläutert", sagte die Richterin.
Beide Anwälte der Angehörigen hatten zuvor bemängelt, dass er sich nie bei den Angehörigen gemeldet hat. Diese hätten deshalb angenommen, "dass es ihm egal ist", sagte Anwältin Birgit Uhl. In seinem letzten Wort sagte der Unfallverursacher daraufhin: "Ich möchte mich aufrichtig entschuldigen, dass ich den Unfall verursacht habe." Richterin Husmann sagte im Rahmen ihrer Urteilsbegründung: "Die Bewältigung und die lebenslange Trauer, damit müssen nun alle Beteiligten umgehen."