„Social distancing“ – also Abstand halten – trifft „Brazzeltag“: Auf einem Spaten wird Besuchern des Drive-in im Technik-Museum das Gerät zur Kartenzahlung gereicht. Foto: Tim Kegel
Sinsheim. (tk) Insider haben damit gerechnet – nun ist es Fakt: Das Technik-Museum Sinsheim, dessen Ausstellungshallen zurzeit geschlossen sind, hat auf die Corona-Krise reagiert. Und zwar im ureigenen Stil: Teile der Ausstellung werden als "Drive-in" befahrbar gemacht, erster Testlauf fürs Publikum ist am heutigen Mittwoch. "Das Virus zwingt uns zur Schließung", sagte Museumspräsident Hermann Layher. "Aber wir haben einen Weg gefunden, der zu uns passt, um das Ganze zu überbrücken."
Stichwort "Brücken": Je nach Dauer der Krise denke man auch über einen Weg "zur Befahrung der Überschalljets nach", sagte Layher. In den knapp 40 Jahren seit Eröffnung des Museums habe man Erfahrung in Bau und Planung "massiver Rampen- und Trägerkonstruktionen gesammelt" und könne überdies auf die Erfahrung zahlreicher Partner zurückgreifen, "etwa beim Heben von großen Lasten". Große Autokrane seien zurzeit ohnehin auf dem Gelände stationiert – sie heben die Gitterkäfige spezieller Putzkolonnen an, die während der besuchsfreien Zeit mit der Reinigung der Flugzeuge beschäftigt sind. Layher hält daher den Bau "einer Befahrungskonstruktion für unser Dach im Lauf von sechs Wochen" für realistisch. Der Zulauf ab dem heutigen ersten Tag des neuen Monats gelte jedoch "als Indikator, inwieweit wir dieses Projekt weiterverfolgen wollen".
Der jetzige Museums-Drive-in führe zunächst "durch relativ einfach befahrbare Teile der Sammlung" und habe, wie erwähnt, Testcharakter. Layhers geliebte Vorkriegs-Mercedes nehmen die Gäste in Empfang, es geht vorbei an Sportwagen- und Motorrad-Prototypen, Luft-, Dampf- und Experimentalfahrzeugen, Monumenten der Eisenbahn- und Militärgeschichte, dem einen oder anderen Muscle-Car bis hin zu Groß-Orgeln und Jahrmarkt-Attraktionen, die man per Münzeinwurf in Gang setzen kann. So soll, wenn auch in abgespeckter Form, "ein Erlebnis geboten werden, wie man es von uns kennt", hofft Layher. Die Zufahrt koste ein Drittel des regulären Eintritts.
Markig und handgemacht, wie man es kennt, hat das Museum auf Corona-Modus umgestellt: Zwar kann Layher keine Würstchen im Abgasfeuer von 20-Zylindern grillen. "Brazzeltag-Feeling" kommt trotzdem schon an der Kasse auf: Das Lesegerät für die Kartenzahlung wurde kurzerhand auf einen Spaten geklebt, damit der Abstand stimmt und wirklich niemand aussteigen muss: "Social Distancing", schmunzelt der Präsident.
Info: Das Drive-in am Technik-Museum Sinsheim wird am Mittwoch, 1. April, um 11 Uhr eröffnet.
Man hat's ihnen zugetraut, den Machern des Technik-Museums und dessen Präsident Hermann Layher: Ein Museums-Drive-in mit Concorde-Option hätte geradezu perfekt gepasst in eine ganze Reihe verrückter Ideen, aus denen am Ende was geworden ist. Doch: April, April! Gemeinsam mit dem Museum haben wir Sie in den April geschickt. Lange haben wir überlegt, ob wir's machen sollen, kamen dann aber zu dem Schluss, dass auch in Zeiten der Corona-Krise ein bisschen Humor nicht schaden kann. Wer den Drive-in testen wollte, der war zumindest nicht ganz umsonst vor Ort: Das Museum verschenkte Kataloge der Technik-Sammlung. Und, wer weiß, wer weiß - vielleicht wohnt dem Museums-Drive-in ja doch ein Funken Wahrheit inne ... (tk)
Update: Mittwoch, 1. April 2020, 11.22 Uhr