Richterin im RNZ-Interview

Sie lässt die vehemente Sinsheimer Streitkultur hinter sich

Susanne Puhl, Direktorin des Amtsgerichts, wechselt am Dienstag zum Oberlandesgericht Karlsruhe

07.06.2019 UPDATE: 09.06.2019 06:00 Uhr 3 Minuten, 11 Sekunden

Nach drei Jahren als Direktorin des Amtsgerichts leitet Susanne Puhl künftig einen Familiensenat am Oberlandesgericht in Karlsruhe. Foto: Christian Beck

Von Christian Beck

Sinsheim. Drei Jahre lang war Susanne Puhl Direktorin des Amtsgerichts. Ab Dienstag führt sie der Weg nach Karlsruhe. Dort ist sie künftig Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht. Kurz vor dem Abschied sprach sie mit der RNZ über aufsehenerregende Fälle, verriet, was ein Richter können sollte, und gab Einblick in die Sinsheimer Streitkultur.

Warum zieht es Sie weg aus Sinsheim?

Ich hätte mir gut vorstellen können, dass ich bis zur Pensionierung hier bleibe. Aber die neue Stelle ist eine tolle Chance. Ich habe mich als Richterin über längere Zeit viel mit Familienrecht befasst. Und ich war im 2. Senat am OLG Karlsruhe auch schon als Beisitzerin tätig. Nun stand die Nachfolge für den Vorsitz an, auf den ich mich beworben habe. Das war erfolgreich, worüber ich mich sehr gefreut habe.

Was wird dort Ihre Aufgabe sein?

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Hier kann ich für Familien, die sich trennen und vor einem Scherbenhaufen stehen, vernünftige Lösungen finden. Wie sieht es mit den Finanzen aus, wie sind die Kontakte zu den Kindern? Lösungen im Sinne der Kinder und deren Eltern zu finden, das finde ich spannend.

Ist das nicht eine sehr schwierige, auch undankbare Arbeit?

Es geht dabei fast immer um existenzielle Fragen. Klar, da schläft man als Richter auch mal schlecht.

Fälle und Schicksale begleiten Sie bis nach Hause?

Ja klar. Das können aber auch Glücksgefühle sein, wenn man den Eindruck hat, den Punkt getroffen und gelöst zu haben, der die Leute umtreibt.

Aber es gibt ja auch die unerfreuliche Seite.

Ja. Manchmal sind Menschen vor Gericht wie zwei Züge, die aufeinander zu rasen, die man nicht anhalten kann. Wenn die Leute nicht mitmachen, knallt es aufeinander.

Im Gebäude, in dem das Amtsgericht untergebracht ist, wurden in der jüngeren Vergangenheit die Sicherheitsvorkehrungen deutlich erhöht. Hat es auch hier "geknallt"?

Vor 20 Jahren wurde propagiert, dass ein Gericht möglichst offen sein soll. Diese Offenheit hat sich aber nicht voll bewährt. Hin und wieder werden bei Eingangskontrollen Messer gefunden. Es gab im Sitzungssaal auch schon Übergriffe auf Richter oder andere Mitarbeiter. Die Hemmschwelle ist gesunken, hin und wieder muss die Polizei gerufen werden.

Hat sich im Laufe der Zeit etwas in Ihrem Beruf verändert?

Die Leute sind fordernder geworden. Und sie verhalten sich den Richtern gegenüber weniger respektvoll, teilweise auch aggressiv.

Gibt’s in Sinsheim eine eigene Streitkultur?

Sinsheim ist durch die umliegenden Dörfer ländlich geprägt. Die Leute bleiben oft in den Orten wohnen, in denen sie aufgewachsen sind. So bauen Kinder häufig an das Elternhaus an oder bauen ein Haus auf deren Grundstück. Die neue Familie wird integriert. Bricht sie aber auseinander, wird es kompliziert, weil ja die ganze Großfamilie betroffen ist. Da spielen dann manchmal Grundstücke eine Rolle, die seit langer Zeit im Besitz der Familie sind. Die müssten dann verkauft werden, weil sich aufgrund einer Trennung keiner der Partner das Haus alleine leisten kann.

Führt das dazu, dass sich die Beteiligten zusammenreißen?

Nein. Das führt dazu, dass man vehementer streitet. Oder zumindest mit einem anderen Hintergrund.

Weil es um mehr geht?

Ja. Um das Erbe. Und um Tradition.

Was werden Sie vermissen, wenn Sie nicht mehr in Sinsheim sind?

Den Kontakt zu den Leuten hier im Haus. Es arbeiten 30 Menschen hier, das ist eine schöne Größe, bei der man den Kontakt zu jedem halten kann. Und das tolle Gebäude natürlich.

Gibt es etwas, dass Sie nicht vermissen werden?

Manche Fälle im Familienrecht waren schwierig.

Das Oberlandesgericht ist ja die zweite Instanz. Sie werden künftig in Karlsruhe also die harten Fälle bearbeiten.

Ja, das kann man ganz klar so sagen.

In letzter Zeit haben zwei Angelegenheiten, die am Amtsgericht verhandelt wurden, für größere Aufmerksamkeit gesorgt. Einmal geht es um die Beleidigungen gegenüber Dietmar Hopp.

Ja, das bearbeitet meine Kollegin sehr engagiert.

Es bindet am überschaubaren Amtsgericht in Sinsheim aber auch viel Kapazität. Denken Sie manchmal: "Muss das auch noch sein?"

Ja, das denkt man manchmal. Aber ich glaube, in dem Fall ist es wichtig, dass das bis zum Ende durchgezogen wird, dass man sagt: Auch in Stadien gibt es Verhaltensregeln, und es gelten die Strafgesetze. Das heißt auch, dass man niemanden persönlich beleidigen darf. Ich halte es für ganz wichtig, dass wir da klare Grenzen setzen und diese Grenzen auch durchhalten und umsetzen - bis zu den Strafverfahren. Auch wenn sie noch so mühsam sind und wirklich viel Arbeit machen.

Beim zweiten aufsehenerregenden Fall ging es um Badewelt-Besucher, die sich in Umkleiden vergnügt haben sollen.

Das waren rund ein Dutzend Verfahren. Der zuständige Richterkollege hat sehr sorgfältig und intensiv die ersten Verfahren behandelt und es dadurch geschafft, allen Beteiligten einen rechtlichen Rahmen an die Hand zu geben, so dass man sich verglichen hat. Insofern war der Aufwand ok.

Wer wird ihr Nachfolger?

Das ist noch unklar, die Stelle ist ausgeschrieben. Wir hoffen, dass sie schnell besetzt wird.

Was sollte er denn können?

Ort des Geschehens

Richter im Allgemeinen müssen gut zuhören können. Und gut abwägen, wann klare Worte und Entscheidungen nötig sind.

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