Spatenstich für ein weltweit einmaliges Projekt des Heidelberger Unternehmens Gelinova: In Neidenstein lässt Geschäftsführer Peter Koepff (5. v. l.) eine Produktionsstätte für Biofolien bauen. Darüber freuen sich auch Neidensteins Bürgermeister Frank Gobernatz (5. v. r.) sowie die bauausführenden Firmen und Planer der Zehn-Millionen-Baumaßnahme. Foto: bju
Von Berthold Jürriens
Neidenstein/Heidelberg. Es ist ein innovatives und weltweit einmaliges Projekt der Gelinova GmbH, das jetzt mit einem Spatenstich durch Geschäftsführer und Ideengeber Peter Koepff im Industriegebiet des 1800-Seelen-Dorfes Neidenstein offiziell gestartet wurde. Das Heidelberger Unternehmen hat auf einer Fläche von rund 2750 Quadratmetern mit dem Bau einer Produktionsstätte zur Herstellung für Biofolien mit einem neuen, ressourcenschonendem Verfahren begonnen.
Dabei wird insbesondere Blattgelatine, aber auch Rollenware produziert. Während die Blattgelatine in Lebensmitteln, insbesondere im Haushalt und der Lebensmittelproduktion verwendet wird, nutzt die Verpackungsindustrie vor allem die Rollenware. Die Gesamtkosten des Projekts betragen rund zehn Millionen Euro. 2,3 Millionen Euro erhält die Gelinova GmbH aus dem Umweltinnovationsprogramm für seine innovative neue Verarbeitungstechnik von Biofolien aus Gelatine und dem pflanzlichen Geliermittel (Hydrokolloid) Agar-Agar, das bevorzugt dann eingesetzt wird, wenn jemand dem Produkt Gelatine kritisch gegenübersteht.
Zusätzlich fließen 400.000 Euro aus der im Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum (ELR) angesiedelten Förderlinie "Spitze auf dem Land! Technologieführer für Baden-Württemberg".
"Jetzt werde ich Neidensteiner", so ein bestens gelaunter Peter Koepff gleich zu Beginn seiner Rede, der gemeinsam mit seiner Frau Karin zahlreiche Projektpartner, Vertreter regionaler bauausführender Firmen und Neidensteins Bürgermeister Frank Gobernatz zu diesem "besonderen Anlass" begrüßen konnte.
Das "besonders" gilt für den 75-Jährigen in vielfacher Hinsicht, wie die Anwesenden erfuhren. Vor fast genau 135 Jahren wurde seinem Großvater Paul Robert Koepff in Göppingen der Betrieb einer Gelatinefabrik genehmigt, die der Grundstein für die bekannte Gelita AG in Eberbach werden sollte. Zusätzlich nutzt die im Jahr 2001 gegründete Gelinova GmbH ein "altes Patent", das der Gelita-Aktionär von seinem damaligen Arbeitgeber "zur Nutzung und Fortführung" überschrieben bekommen hatte. "Dieses Patent wurde neben vielen weiteren Patenten von tüchtigen Mitarbeitern und mir gemeinsam in den 26 Jahren meiner Industriezeit erarbeitet, von Gelita aber nicht genutzt", verriet der Heidelberger.
Das ausgerechnet das beschauliche und zehn Kilometer von Sinsheim entfernte Neidenstein als geeigneter Standort ausgewählt worden ist, lag auch an den Bedingungen der anderen überprüften Standorte. Sowohl Heidelberg, Lingental bei Leimen, Plankstadt oder eine Fläche in St. Leon-Rot fielen durch das Raster. "In St. Leon-Rot nahm das Rathaus unsere Pläne sehr positiv auf, doch da wir für unseren Trocknungsprozess der Gelatine saubere Luft ohne große Mengen an Schmutzpartikel benötigen, war die Nähe zu dem dortigen Verkehrsknotenpunkt ungünstig." Schließlich sei man auf die freie Gewerbefläche im sogenannten Burgdorf aufmerksam geworden. "Mit der anschließenden positiven Resonanz im Gemeinderat und beim Bürgermeister nach der Vorstellung unserer Pläne stand der Entschluss fest, hier anzusiedeln", so Koepff.
Der Unternehmer, der auch Vorsitzender der "International Advanced Gelatin Science Society" ist, gab noch eine eindrucksvolle Zahl zur energie- und ressourcenschonenden Verarbeitungstechnik zur Herstellung der Biofolien bekannt, bei der erstmalig energie- und wassersparende Verfahren zum Auflösen der eingesetzten Rohstoffe angewandt werden. "Der Energieverbrauch von Strom und Gas wird deutlich reduziert. Daraus ergibt sich eine CO2-Minderung von circa 750 Tonnen pro Jahr." Der klimafreundliche Zukunftskurs dieses "Pilotprojekts in der Lebensmittelindustrie", das weltweit die erste Anlage eines Gelatine- und pflanzlichen Hydrokolloid-Extruders ist, wurde Ende 2017 durch das Förderprogramm des Bundesumweltministeriums belohnt.
Bürgermeister Frank Gobernatz freute sich, dass ein derartig innovationsorientiertes Unternehmen in Neidenstein sesshaft werde, auch wegen den 35 neuen Arbeitsplätzen. Ende 2018 soll der Neubau fertiggestellt sein, kündigte Peter Koepff an, so dass mit der Montage der Produktionsanlagen im kommenden Jahr begonnen werden kann.