Elfi Neubauer-Theis findet es schade, dass Mundart für manche als „Sprache der Doofen“ gilt. Auch mit ihrem neuen Buch will sie das Image des regionalen Dialekts verbessern. Foto: Orths
Von Friedemann Orths
Neckarbischofsheim. Ist Dialekt peinlich? Schämen sich die Menschen in der Region für ihre Mundart? Elfi Neubauer-Theis sagt: ja. Die pensionierte Gymnasiallehrerin schreibt seit 1988 Gedichte und Kurzgeschichten – hauptsächlich in nordbadischer Mundart. Jetzt hat sie ein Buch für Kinder veröffentlicht, das mit den Vorurteilen über Dialekt und die Leute, die ihn sprechen, aufräumen möchte. In "Dichterbauer Mombel", das Neubauer-Theis auch mit eigenen Illustrationen geschmückt hat, wird Landwirt Manfred – Mundart-Spitzname "Mombel" – von Vögeln zum Dichten inspiriert. Allerdings wird er von anderen Menschen wegen seiner Aussprache zunächst nur ausgelacht. "Den Text habe ich vor Jahren schon mal zusammengebastelt", erzählt die 65-Jährige. Schon als Kind hat sie sich Geschichten ausgedacht, im Stuhlkreis im Kindergarten erzählt oder zu Geburtstagen oder dem Muttertag Gedichte geschrieben.
Das "richtige" Aufschreiben kam aber erst viel später, sagt Neubauer-Theis. Ihre zweite Karriere neben der als Deutsch-, Geschichts- und Französischlehrerin startete sie 1988, als sie bei einem Mundartwettbewerb des Regierungspräsidiums Karlsruhe mitmachte und auch gleich den 3. Platz erreichte. "Das hat mich inspiriert, weiterzumachen", sagt sie. Damals habe sie gemerkt, dass Mundart auch eine Möglichkeit ist, sich auszudrücken. In der Jury des Wettbewerbs saß damals Dr. Rudolf Stähle, Mundart-Autor, Redakteur und langjähriger Leiter der Karlsruher Kulturredaktion des Süddeutschen Rundfunks (SDR). Der engagierte Neubauer-Theis als Mundart-Hörspielautorin fürs Radio. Mittlerweile hat sie auch auf Hochdeutsch mehrere Gedichtbände und Kurzgeschichten veröffentlicht und renommierte Preise gewonnen – darunter den Lyrikpreis der Stadt Mannheim, oder den 1. Platz in der Kategorie Lyrik beim bundesweiten Literaturwettbewerb "Mythos Fremde". Selbst würde sie sich eher als Autorin statt als Dichterin bezeichnen.
Ihre Kreativität und ihre Ideen kommen dabei aus ihrem Alltag: "Alles, was man erlebt, ist Stoff." Dazu gehören Begegnungen, oder die Natur, die sie "sehr stark" inspiriert. Neubauer-Theis sagt, dass die Leidenschaft für Mundart bei ihr größer ist, als für das Schreiben auf Hochdeutsch: Das sei ein "viel persönlicherer Aspekt", der auch realitätsnäher ist. Ihre hochdeutschen Geschichten sind hingegen "alle ausgedacht".
Aber auch politische Situationen, "Dinge, die schräg laufen", verarbeitet die Autorin in Geschichten und Gedichten. "Mundart setzt sich mit aktuellen Themen auseinander", sagt sie. Gemeinsam mit anderen Mundartautoren, von denen viele keine andere Möglichkeit haben, ihre Werke zu präsentieren, veröffentlicht sie Stücke auch auf dem Internetblog "Badische Gutsele" (www.badische-gutsele.de).
"Des isch sou schee – er konn’s net losse/un schreibt un reimt sou unverdrosse" lautet einer der Verse in "Dichterbauer Mombel". Das Buch hat Neubauer-Theis jetzt fertiggestellt, weil sie als Rentnerin mehr Zeit hat. Eine Herausforderung beim Schreiben und Dichten in Mundart ist laut der Autorin, die Akustik rüberzubringen. Deshalb hat sie auch "keine ganz schwierigen Sachen" in das Kinderbuch geschrieben. "Man müsste es eigentlich auf CD aufnehmen", sagt sie und betont, dass es sogar schon Unterschiede zwischen Nachbargemeinden gibt: "Die Waibschder schwätze anders als die Bischesser." Und über "Hendsching" – hochdeutsch Handschuh –, ein Begriff, den die Eschelbronner verwenden, würde man sich in anderen Gemeinden wohl wundern, erklärt Neubauer-Theis. Für sie ist Mundart ein "linguistisches GPS".
Auch für die Illustrationen des Kinderbuchs hat sich die Autorin viel Mühe gegeben. Aus Prospekten und Geschenkpapier hat sie Bauer Mombel, Hühner, Schweine mit Ringelschwänzchen oder einen "Geil", den Gaul, zusammengeschnipselt. Da saß sie "im Flow" tagelang an ihrem großen Tisch, was ihr "wahnsinnig Spaß gemacht" hat. Die Scherenschnitte könnten Kinder auch dazu animieren, mal wieder selbst etwas zu basteln, findet Neubauer-Theis.
Wenn Corona vorbei ist, möchte die Autorin aus "Dichterbauer Mombel" in Kindergärten oder Schulen vorlesen, um den Kindern Mundart wieder näherzubringen. Kinder seien "das Publikum, das ich mir wünsche". Dass Dialekt in Nordbaden verpönt sei, findet Neubauer-Theis schade. So sterbe Mundart irgendwann aus. Mittlerweile gebe es aber ein neues Bewusstsein für die Mundart, glaubt sie. Dass sie erst jetzt auch an Schulen für den Dialekt werben will, hängt nicht nur damit zusammen, dass sie als Rentnerin mehr Zeit hat. Zuvor hatte sie sich darüber Gedanken gemacht, was andere Lehrer davon halten könnten, wenn sie offensiv für Mundart eintritt. Denn Dialekt werde im Unterricht oft als lächerlich abgetan. Und vielleicht, wenn Neubauer-Theis ihr Buch in den Kindergärten und Schulen der Region präsentieren kann, wird sie die Frage, ob man sich für Mundart schämt, irgendwann mit nein beantworten können.
Info: "Dichterbauer Mombel" erscheint im Verlag Regionalkultur. Es umfasst 32 Seiten mit 32 Abbildungen der Autorin. Kaufen kann man es für 12,90 Euro im Bücherland in Sinsheim oder unter www.verlag-regionalkultur.de auf der Internetseite des Verlags.