Nicht nur in Eppingen war die Spannung bei der Auszählung groß. Dass der Wahlkreis an die Grünen geht, hatten viele nicht erwartet. Foto: Guzy
Von Armin Guzy
Bad Rappenau/Eppingen. Das neue Landesparlament wird sich aus 154 Abgeordneten zusammensetzen – und gleich vier davon kommen aus dem Wahlkreis Eppingen. Am Sonntag stand bereits fest, dass Erwin Köhler mit 26,3 Prozent der Stimmen das Erstmandat für die Grünen geholt hat und Georg Heitlinger mit 13,5 Prozent für die FDP über ein Zweitmandat in den Landtag einzieht.
Inzwischen ist klar, dass es auch für den CDU-Kandidaten Dr. Michael Preusch gereicht hat. Der Nachfolgekandidat von Friedlinde Gurr-Hirsch hat 24,5 Prozent der Stimmen erhalten und schaffte den Einzug über ein Zweitmandat. Über ein solches kann auch AfD-Mann Rainer Podeswa mit 13,7 Prozent sein Mandat verteidigen, das er vor fünf Jahren als Kandidat im Wahlkreis Heilbronn errungen hatte. Nur für den SPD-Kandidaten Jens Schäfer hat es am Ende mit 11,1 Prozent der Stimmen nicht gereicht. Er will, wie er sagt, dennoch weiterkämpfen und mithelfen, die SPD wieder zur alten Popularität zu führen.
Mit gleich vier Abgeordneten wird der Wahlkreis Eppingen damit deutlich stärker als bisher mit zwei in Stuttgart vertreten sein. Mehr noch: Außer Eppingen stellen im ganzen Land nur der Nachbarwahlkreis Neckarsulm und der Wahlkreis Hechingen-Münsingen vier Abgeordnete. In Neckarsulm schafften Achim Waldbüßer (Grüne), Isabell Huber (CDU), Carola Wolle (AfD) und Klaus Ranger (SPD) den Einzug ins Parlament.
Die Zweitmandate werden seit der entsprechenden Änderung des Wahlrechts vor einem Jahr in einem komplizierten Verfahren nach der prozentualen Stimmzahl verteilt, mit der der jeweilige Kandidat zum landesweiten Gesamtergebnis seiner Partei beigetragen hat.
Da die Zahl der Briefwähler bei dieser Landtagswahl Corona-bedingt ungewöhnlich groß war – in manchen Orten kam mehr als die Hälfte der Stimmen auf diesem Weg in die Rathäuser –, ergibt sich eine große Unschärfe, wenn man analysieren will, wer wo genau am meisten Stimmen erhalten hat. Briefwahlstimmen werden nicht nach Wohnort erfasst, lassen sich also auch nicht genau zuordnen. Dennoch ist interessant, welche Kandidaten auf diesem Weg die meisten Stimmen sammeln konnten: Es waren Köhler und Preusch. Beide wurden in Bad Rappenau und Eppingen, in Gemmingen, Kirchardt, Ittlingen und Siegelsbach meist von mehr Menschen per Brief als per direkter Stimmabgabe an der Urne gewählt. Bei der AfD zeigt sich das genau entgegengesetzte Bild: In allen Orten konnte Podeswa nicht annähernd so viele Briefwähler mobilisieren wie Direktwähler. In Eppingen etwa erhielt der AfD-Kandidat insgesamt 14,7 Prozent der Stimmen, aber nur neun Prozent davon per Wahlbrief. Über die Gründe lässt sich nur spekulieren, besonders in Corona-Zeiten. Sind Briefwähler besonders auf Hygiene und Selbstschutz bedacht? Haben sie weniger Zeit, sind sie älter, vielleicht gebrechlich? Machen, andererseits, Vor-Ort-Wähler ihr Kreuzchen vielleicht eher spontan? Man weiß es nicht, aber es darf vermutet werden, dass die Zahl der CDU-Stimmen wegen der sogenannten Maskenaffäre ohne Briefwahl wohl noch etwas geringer ausgefallen wäre.
Auffällig ist auch, dass die Kandidaten meist dort am meisten Stimmen holen, wo sie ihren Wählern persönlich bekannt sind: in ihrem Wohnort und der näheren Umgebung. Dies gilt umso mehr, als in diesem Jahr der Straßenwahlkampf mit direkten Begegnungen oder die Besuche an der Haustüre für alle Kandidaten stark erschwert waren. Schäfer etwa, der in Beilstein gerade mal acht Prozent und insgesamt 11,1 Prozent holen konnte, erreichte in seinem Wohnort Eppingen 15,8 Prozent. Und auch der Rohrbacher Ortsvorsteher Heitlinger schnitt hier mit 16,8 Prozent deutlich besser ab als im gesamten Wahlkreis, ganz zu schweigen von seinen 36,6 Prozent in Rohrbach – für beide ist die Fachwerkstadt ihre Hochburg, während Preusch, der ebenfalls in Eppingen lebt, seine meisten Stimmen in Ittlingen sammelte (28,5 Prozent). Vielleicht auch ein Grund dafür, dass der grüne Wahlsieger Köhler aus Lauffen am Neckar dort auf 33,4 Prozent kam, in Eppingen hingegen mit 18,9 Prozent sein schlechtestes Ergebnis einfuhr und generell im westlichen Teil des Wahlkreises weniger Stimmen holte. Seine größte Unterstützerschaft sitzt in Gemmingen: Dort kam er auf 25,3 Prozent.
Auffällig auch: In Kirchardt konnte Preusch den Grünen-Kandidaten mit 26,5 Prozent überflügeln, Podeswa holte mit 17,9 Prozent sein bestes Ergebnis – in den Bad Rappenauer Ortsteilen Obergimpern und Wollenberg mit 25 Prozent jedoch noch mehr – und Schäfer kam mit 10,9 auf seinen schlechtesten Zustimmungswert, bezogen auf die sechs Kommunen. Hier beteiligten sich außerdem die wenigsten Wähler: insgesamt 56,8 Prozent. Demgegenüber hatte Siegelsbach die aktivsten Wähler: 67,6 Prozent gaben dort ihre Stimme ab, darunter auch 17,2 Prozent für die AfD.
In der Kurstadt konnte Preusch seinen Konkurrenten Köhler ebenfalls mit 24,8 zu 23,4 Prozent auf Abstand halten, im Teilort Grombach kam er sogar auf 31,5 Prozent. Preusch, der am Wahlabend für die RNZ nicht zu erreichen war, meldete sich am Montag: Er sei "nicht unglücklich" über das Ergebnis, sieht das gute Abschneiden der Grünen im "Kretschmann-Effekt" begründet und ärgert sich über das noch relativ starke Abschneiden der AfD, die in den vergangenen Jahren "nichts Konstruktives zur Politik beigetragen hat". Beruflich wird sich der Intensivmediziner nun neu orientieren müssen, was ihm, wie er sagt, nicht leicht fällt. Er hofft, vielleicht beide Tätigkeiten vereinen zu können, allerdings mit dem klaren Schwerpunkt Politik. Als Abgeordneter will er seine berufliche Erfahrung einbringen und ich vor allem den Themen Medizin und Hochschule widmen.