Zu früh gebaut? Der Bauherr des Krematoriums Reihen bleibt nach aktuellem Kenntnisstand wohl auf seinen Kosten sitzen. Foto: Tim Kegel
Von Tim Kegel
Sinsheim-Reihen/Heidelberg. Der seit rund zehn Jahren andauernde Streit wegen des unvollendeten Krematoriums im Reihener Gewerbegebiet "Oberer Renngrund" ist auch nach dem dritten Verhandlungstermin vor dem Heidelberger Landgericht nicht entschieden. Am Freitag saßen sich Bauherr Claus Wiesenauer und Vertreter der Sinsheimer Verwaltungsspitze erneut gegenüber. Ein vierter Termin ist am 21. Dezember angesetzt.
Der Spatenstich des von Anbeginn umstrittenen Bauvorhabens war am 20. April 2009 erfolgt. Am Freitag wurde der damalige Leiter der Liegenschaftsabteilung vom Richter befragt. Der Mann, der inzwischen in einer anderen Kommune tätig ist, soll nach Schilderung der Klägerseite in Telefonaten geäußert haben, dass eine für den Bau der Einäscherungsanlage benötigte Bebauungsplanänderung vorgenommen worden sei. Der Zeuge verwies auf zahlreiche Telefonate zwischen Bauherr und Rathaus in der damaligen heißen Phase des Bauvorhabens, aber auch darauf, lediglich für das Vertragswerk zum Grundstücksverkauf zuständig gewesen zu sein.
Es sei mehrfach darauf hingewiesen worden, dass sich die Planer des Objekts in raumordnerischen Fragen ans städtische Baurechtsamt wenden müssten. Schlussendlich hielt das Gericht die Aussagen für glaubwürdig. Wörtlich hieß es gegen Ende der Verhandlung, dass das Gericht der Klage "keine Aussicht auf Erfolg" einräume.
Eine Auffassung, die sich die RNZ am Freitagnachmittag von einem Sprecher des Gerichts bestätigen ließ. Die Klägerseite hätte sich angesichts des laufenden Bebauungsplan-Änderungsverfahrens "nicht auf die Wirksamkeit der ersten Baugenehmigung verlassen" dürfen, erklärte der Sprecher; ferner gehe das Gericht davon aus, dass es im Verlauf des Bauvorhabens "keine Amtspflichtverletzung gegeben hat".
Das bedeutet: Baurechtlich stand das in dem Gewerbegebiet geplante Krematorium von Beginn an auf wackeligen Beinen, worauf Mitarbeiter der Stadtverwaltung hingewiesen hätten. Hieran änderte auch ein damals angestrebtes Sondergebiet nichts; war es doch die "werktägliche Geschäftigkeit" in den Betrieben im Oberen Renngrund, die sich nicht mit der "kulturellen Einrichtung" eines Krematoriums mit Abschiedsraum vertragen hätte. Wer auf solchen Grundlagen eilig baue, der tue dies auf eigenes Risiko, könne dann weder Schadenersatz noch entgangenen Gewinn einfordern, sobald der Bau eingestellt wird. So lasse sich die Einschätzung des Gerichts interpretieren, hieß es, wenn es sich auch nur um "eine vorläufige Einschätzung" handle.
Die Fronten auf beiden Seiten sind verhärtet. Weder Rathaus noch Kläger rückten von ihren Positionen ab. Dass am 21. Dezember, kurz vor Weihnachten, ein Urteil gesprochen wird, sei möglich, wie es vage hieß, es könne sich aber auch nur um eine wie auch immer geartete Entscheidung handeln. Claus Wiesenauer hätte dann die Option, gegen ein Urteil Berufung einzulegen und vors Oberlandesgericht zu ziehen. Ursprünglich hatte der Investor Schadenersatz in Höhe von rund drei Millionen Euro gefordert, den Löwenanteil davon wegen entgangener Einnahmen.
Zahlreiche Sinsheimer, unter ihnen Stadträte und Mitglieder einer Bürgerinitiative aus Krematoriums-Gegnern, wohnten der Verhandlung bei.