Ein „Highlight“ des Helmstadter Heimatmuseums ist das Klassenzimmer. Vorsitzender Marco Keller (r.) und sein Stellvertreter Wolfgang Engelhardt sammeln in der Alten Schule so ziemlich alles, was alt ist – und zeigen es Interessierten. Foto: Friedemann Orths
Von Friedemann Orths
Helmstadt-Bargen. Im Klassenzimmer ist es stickig, trotz der herabgelassenen Jalousien, die das Sonnenlicht nur dürftig fernhalten. Es riecht nach altem Papier. In mehreren Reihen stehen abgenutzte Schulbänke aus Holz, neben der Tafel an der Stirnseite des Raumes hängt ein Porträt von Wilhelm II. Das Schulzimmer im Heimatmuseum des Heimatvereins Helmstadt ist der "ganze Stolz" von Marco Keller, Vorsitzender des Vereins. "Noch mit Kaiser", sagt er mit Blick auf das Bild und lacht. Seit mittlerweile 30 Jahren gibt es den Verein, in diesem Jahr wollte man eigentlich groß feiern. Dann kam die Corona-Pandemie.
Das Museum in der Alten Schule in der Pfarrstraße gibt es seit 2009. "Eher durch Zufall", erklärt Keller, während er die Exponate in der Unterrichtsstube zeigt. Die Räume im alten Schulgebäude habe man schon zuvor von der Gemeinde bekommen, der Heimatverein teilt sich das Haus mit sechs anderen örtlichen Vereinen. "Wir breiten uns aus", sagt Keller, betont aber, dass man natürlich Rücksicht auf die anderen nehme.
Die alten Pulte haben noch Löcher, in die damals das Tintenfässchen gepasst hat. Kellers Vorgänger im Verein, Georg Schieck, habe erzählt, dass die Jungs im Unterricht damals die Zöpfe der Mädchen in die Tinte tunkten. Schieck hat das Klassenzimmer hauptsächlich aufgebaut. Dort hängen alte Landkarten an den Wänden, die Rückseite beherbergt neben zahlreichen Nähmaschinen Regale voller Rechenmaschinen, die nur noch der Kassierer des Vereins, der früher bei der Volksbank arbeitete, bedienen kann.
"Es steht noch viel rum", sagt der 55-Jährige. Zu Beginn hat der Verein viele Exponate von einer Sammlerin bekommen, die schon in den 1970er-Jahren ein Museum aufbauen wollte. Mittlerweile melden sich viele Leute, die Dinge finden, die zu schade zum Wegwerfen sind. Das sind beispielsweise die Fächer aus dem in den 1980er-Jahren abgerissenen Milchhäusel, auf dem noch die Namen von Bürgern stehen, die die Fächer gemietet hatten, um darin ihre Milch zu kühlen.
Im Flur, der in den nächsten Raum führt, steht eine alte Messerschleifmaschine. Dem Vorsitzenden ist es wichtig, dass man alles im Museum anfassen und ausprobieren kann. Mit dem Fuß tritt er auf das Pedal der Maschine, erklärt, wie schwer es ist, einen richtigen Takt hinzubekommen, damit sich der Schleifstein in Bewegung setzt. Vor allem für Kinder sind die Ausstellungsstücke interessant, beispielsweise hat der Heimatverein Kostüme aus dem Mittelalter zum Anprobieren oder auch ein Burgmodell aus Holz zum Spielen.
Hinter Holzplatten, in die Schießscharten aus verschiedenen Epochen geschnitten wurden, stehen mehrere Burgmodelle, die Keller, leidenschaftlicher Modellbauer, in stundenlanger Arbeit nachgebildet hat. Historisch korrekt sind sie wohl nicht, dafür fehlen die Erkenntnisse. Aber anhand von Luftbildern, gefundenen Steinen, Plänen oder Zeichnungen und ein wenig Vorstellungskraft hat Keller beispielsweise das Helmstadter Wasserschloss nachgebildet, so gut es eben möglich war. "Dass die Helmstadter auch mal stolz sein können", sagt Keller.
Mit seinem Vereinsvize Wolfgang Engelhardt geht es unters Dach: Hier erkennt man im schummrigen Licht, das teilweise durch die Lücken im Ziegeldach fällt, so ungefähr alle alten landwirtschaftlichen Werkzeuge. Spinnweben spannen sich über Pflüge und einen Heuwagen. Ein Erbsensortierer steht neben einem Rapskäferabstreicher – landwirtschaftliches Gerät, das längst in Vergessenheit geraten ist, kann hier bestaunt werden. "Muss man alles mal sortieren", kommentiert Keller. "Ein Highlight" für Kinder ist die "alte Stube", ein Zimmer, das so eingerichtet ist, wie es früher war, erklärt Engelhardt.
Besonders stolz sind beide Vereinsmitglieder aber auf die komplette Schusterwerkstatt, die sie aus dem hessischen Odenwald, Flinsbach und Reichartshausen "zusammengestückelt" haben. "Wie wenn der Schwiegervater kurz in der Mittagspause ist", habe der Spender aus dem Odenwald, von dem sie die meisten Exponate bekommen haben, zu Keller gesagt. "Der hatte Tränen in den Augen", erzählt der Vorsitzende. Und tatsächlich kann man noch den Schuhkleber an der Werkbank sehen, den der Schuster dort immer abgestreift hatte.
Eigentlich wollte der Verein sein 30-jähriges Bestehen in diesem Jahr groß feiern, jetzt hoffen Keller und Engelhardt, zumindest eine Aktion zur Kerwe im Oktober starten zu können. Ein Einbahnstraßen-Konzept und diverse Vorführungen habe man sich schon ausgedacht. "Die Leute sind ausgelaugt", weiß Keller, und Engelhardt ergänzt, dass man, wenn möglich, auch am Weihnachtsmarkt festhalten will. Das wäre "ein Traum" für dieses Corona-Jahr. Außerdem sind Sonderausstellungen geplant: "Wir schauen immer, was wir machen können", sagt Keller.
Zunächst wollen sie aber die alte Einrichtung der seit Jahrzehnten geschlossenen Bäckerei in der Rabanstraße ins Museum integrieren – und an dem Tag, an dem der Sauerkrautmarkt stattgefunden hätte, Rippchen mit Kraut zum Abholen anbieten. Normalerweise hält sich der Verein an diesem Tag nämlich zurück. Jetzt wurde er mit 180 Bestellungen aber förmlich überrannt.