Tolles Team auf zwei und vier Beinen: Simone Kinzinger und ihre Mitarbeiterinnen Evelyn Kraft sowie Jana Frey (von rechts) im März mit den Ponys Lotta (l.) und Maya. Foto: Gottlob
Von Marion Gottlob
Ittlingen. Wer den Hammberger Hof in Ittlingen bei Sinsheim besucht, wird es kaum bemerken: Das Anwesen ist ein Integrationsbetrieb für psychisch kranke Menschen. Diese werden wie selbstverständlich in die Arbeit mit einbezogen. Damit das möglich ist, braucht es Mitgefühl, Ideen und viel Engagement. Prof. Frank Brecht, Arzt für Neurologie und Psychotherapie und Gründer der St. Thomas-Einrichtungen wie des Hammberger Hofs, erklärt: "Wir ermöglichen es den Menschen mit psychischen Erkrankungen, einen normalen Arbeitsalltag einzuüben."
Das Anwesen ist rund 37.000 Quadratmeter groß und ein Ausflugsziel für Gäste aus Nah und Fern. Besucher schätzen das Restaurant mit seiner Mischung aus badisch-schwäbischer und mediterraner Küche. Fast alle Kinder sitzen fasziniert an den Fenstern, die den Blick auf die Reithalle freigeben, und beobachten das Training mit den Pferden.
Simone Kinzinger leitet die Reitanlage. Seit 2013 betreut die erfahrene Dressurreiterin bis zur Klasse S die 46 Boxen. Sie und ihr Team kümmern sich unter anderem um die Fütterung, die Pflege sowie die Ausbildung von Tier und Reiter. "Der Hammberger Hof ist ein Ausbildungsbetrieb", erklärt Kinzinger. Das bedeutet, dass sie und ihre Helfer Pferdehalter und ihre Tiere beim Training unterstützen. Dabei wenden sie gegen Pferde keine Gewalt an, sondern gewinnen sie mit Können und Technik zur Mitarbeit bei der Bewältigung immer neuer Aufgaben.
Wer aus den Fenstern des Restaurants das Treiben in der Reithalle verfolgt, wird vielleicht den täglichen "Hufschlag" sehen. Das bedeutet, dass regelmäßig der Sand in der Arena geglättet wird, sodass die Reiter mit ihren Pferden gefahrlos ihr Training absolvieren können. Der "Hufschlag mit Rechen" gehört zu den Aufgaben des St. Thomas-Teams. Deren Mitglieder leben in Häusern von St. Thomas, die ein betreutes Wohnen anbieten. Ein Teilnehmer sagt: "Wir reinigen den Hof und die Stallgassen." "Ich streichle die Tiere so gern, sie sind voll süß", ergänzt ein weibliches Teammitglied. Ein weiterer Helfer hat den Umgang mit Maschinen erlernt, sodass er unter anderem einmal pro Woche die Abflussschächte säubern kann. Auch landwirtschaftliche Arbeiten gehören zum Programm.
Arbeitstherapeuten begleiten das Team: Die Aufgaben werden an die Fähigkeiten und Krankheitsbilder der St. Thomas-Teilnehmer – zum Beispiel Psychosen, Schizophrenie oder Angststörungen – angepasst. "Die Arbeit auf dem Hammberger Hof gibt den Menschen eine Struktur für den Alltag", erklärt Arbeitstherapeut Frank Schäfer. Sein Kollege Roberto Terek meint: "Die Teilnehmer des Projekts erleben Erfolge und Misserfolge wie alle anderen auch – und sie lernen in der Praxis, damit umzugehen."
Ein weiteres Angebot ist die tiergestützte Therapie. Zweimal pro Woche machen kleine Gruppen mit den beiden Ponys Lotta und Maya einen Ausflug. Ein Teilnehmer nach dem anderen darf im Wechsel ein Tier an der Leine führen. Claudine Botte, Leiterin der St. Thomas-Einrichtung in Heidelberg, erklärt: "Die Teilnehmer lernen, dass das Pony auf ihre Gefühle reagiert – und so lernen sie sich selbst kennen."
"Die Teilnehmer erzählen ihren Familien von den Erlebnissen mit den Tieren – das bringt Freude", fügt Gabriele Knuck, Leiterin der St. Thomas-Einrichtung in Graben-Neudorf, hinzu. Und Frank Brecht sagt: "Es ist eine Pause vom Alltag mit der Krankheit." Bei den Ausflügen gibt es immer eine fachgerechte Begleitung für Menschen und Tiere.
Pferdewirtin Simone Kinzinger denkt an einen besonderen Moment zurück: Ein St. Thomas-Teilnehmer habe bei eisigen Temperaturen seine kalten Hände auf das Fell von Pony Lotta gelegt. Die Hände, die seit Wochen in Folge der Erkrankung verkrampft waren, entspannten sich – er konnte sie plötzlich frei bewegen. "Ich hatte Tränen in den Augen, als er mir das gezeigt hat", sagt Kinzinger.
Info: Hammberger Hof in Ittlingen, Reihener Straße 60, Telefon: 0 72 66 / 91 13 88.