In dieser Box bewahrt die Feuerwehr alles Wichtige für den Corona-Kontaktfall auf. Foto: Julian Buchner
Von Julian Buchner
Sinsheim. Wenn die Männer und Frauen der Freiwilligen Feuerwehr gerufen werden, zählt jede Sekunde. Und in diesen Sekunden muss jeder Handgriff sitzen. Doch in der Corona-Krise sehen die Wehrleute neuen Herausforderungen und Gefahren entgegen. Die RNZ sprach mit dem Feuerwehr-Gesamtkommandanten Michael Hess über die Probleme in Zeiten des Virus.
Begonnen hatte alles mit neuen Vorgaben der Unfallkasse Baden-Württemberg Anfang März. "Hier sind alle Feuerwehrleute in Sinsheim versichert", erklärt Hess. In dem siebenseitigen Papier ist unter anderem das verpflichtende Tragen von Mund-Nasen-Schutzmasken geregelt. Aber auch die Besetzung der Fahrzeuge hat sich geändert. So ist das Löschfahrzeug "LF16" im Alarmfall mit sechs statt bislang neun Personen besetzt. "Genügend Personal ist aber dennoch vorhanden", betont Hess: "Bei größeren Sachen fährt ohnehin die ganze Kolonne raus".
Ebenfalls kein Problem war die Bereitstellung der Mundschutze, sowohl für die Abteilung Kernstadt als auch für die zwölf Stadtteil-Wehren. Im Feuerwehrhaus hat man seit jeher für Einsätze, bei denen Staub- und Partikelflug nicht ausgeschlossen ist, eine gewisse Anzahl sogenannter OP-Masken auf Vorrat. "Damit hätten wir auch problemlos Versorgungsengpässe überbrücken können", beteuert Hess. Die Versorgung der Hygieneartikel ist ebenfalls durch das Landratsamt gesichert. Sogar private Spendenangebote habe es gegeben. Auch unabhängig von Corona hätten die Floriansjünger eine vorsichtige Herangehensweise bei Kontakt mit Menschen. So tragen sie bei Einsätzen mit direktem Kontakt Einmalhandschuhe unter den Feuerwehrhandschuhen. Neu hinzugekommen ist auch das Wechseln von herkömmlichen Masken auf FFP2 bei Patientenkontakt.
Eine weitere Hilfe ist die "Corona-Dekontaminations- und Hygienebox". Sie liegt schon seit Längerem im Gerätehaus bereit und kann bei Infektionsfällen nachgefordert werden. Mit Beginn der Pandemie habe man die Box aufgerüstet. Sie enthält neben Masken-Großpackungen auch Ganzkörper-Anzüge. Hess zufolge könnte sie bei Alarmierungen in Corona-betroffenen Altenpflegeheimen oder bei der Unterstützung des Rettungsdienstes bei bestätigten Fällen zum Einsatz kommen.
Momentan gebe es weniger Einsätze, sagt Hess und verweist auf Zahlen von 2019. So ging die Ausrückzahl in den vergangenen acht Wochen um etwa 20 Prozent zurück. Man hatte erwartet, dass sich der Einsatzschwerpunkt von Verkehrsunfällen und Brandmeldeanlagen zu Einsätzen in Privathaushalten verschwenkt. Doch bis auf einige wenige Heckenbrände blieb es ruhig.
Probleme scheint es allerdings aufgrund der ausgefallenen Lehrgänge und Übungen zu geben. "Wir waren mitten in einem Atemschutz-Lehrgang, als uns Corona traf." Die Fortbildung wurde ausgesetzt. "Für viele Feuerwehren ein Problem", meint Hess. Dauere diese lehrgangsfreie Phase länger, wirke sich das auf die Einsatzfähigkeit aus. Die Folgen: Weniger Personal, das im Umgang mit Atemschutz- oder Funkgeräten geschult ist. In Sinsheim, versichert Michael Hess, sei das kein Problem. Es gäbe Nachrücker, und selbst ein Jahr Übungsausfall wäre noch unbedenklich. In Baden-Württemberg hofft man derzeit auf eine Regelung des Landes, um den Ausbildungs- und Übungsbetrieb zumindest in Kleingruppen wieder aufnehmen zu können.
Gefährdung der Mannschaft, eine ganze Einsatzabteilung unter Quarantäne: Als Stadtbrandmeister könne man sich in diesen Zeiten nichts Schlimmeres vorstellen. Hess hatte deshalb gleich zu Beginn der Krise eine Rundmail verschickt, in der er insbesondere älteren und zur Risikogruppe gehörenden Mitgliedern riet, sich genau zu überlegen, ob sie mit in den Einsatz müssen und sich den potenziellen Gefahren aussetzen. "Zwei Abteilungsmitglieder hatten sich dann tatsächlich gemeldet und vorläufig zurückgezogen. Das ist gut so, falscher Stolz wäre hier sicher nicht ratsam", meint Hess. Die Nachricht über zwei unabhängig voneinander mit Corona infizierte Feuerwehrmitglieder ließ den Gesamtkommandanten aufhorchen. Es stellte sich aber schnell heraus, dass beide während der Infektionszeit und auch bis zur Testung nicht bei Einsätzen dabei waren – schnell machte sich Erleichterung breit.
Allerdings werden die ausgefallenen Feste zum Problem. So wollten im Sommer die Abteilungen Hilsbach und Hoffenheim Jubiläen feiern. Im Rahmen der Heimattage hätte der Blaulichttag stattfinden sollen. "Wir wissen nicht, ob wir alle Veranstaltungen nachfeiern können. Es wird dann auf jeden Fall ein straffer Terminplan", meint Hess. Auf die Frage, wann wieder Normalität einkehren wird, antwortet er: "So richtig weiß es noch keiner, doch wenn man den Aussagen der Fachleute Glauben schenken mag, dann wird es in diesem Jahr nichts mehr."