Jetzt muss auf den Feldern mehr Abstand als auf diesem Bild aus dem letzten Jahr gehalten werden. Foto: Barth
Von Christiane Barth und Falk-Stéphane Dezort
Kraichgau. "Das ist ein Wahnsinn", fasst Landwirt Heiko Junker den logistischen Aufwand zusammen, der unter dem Diktat von Corona für die Spargelernte betrieben werden muss. Vorsorglich hat seine Mutter schon mal 150 Atemschutzmasken genäht: Aus Baumwolle, waschbar und mit Nasenknick. Froh wäre der Betreiber des Spargelguts Wasserschloss in Helmstadt, wenn er etwa die Hälfte an Erntehelfern wie üblich zusammen bekommen würde. Über das Internetportal des Bauernverbandes muss er Daten hochladen, die Arbeiter müssen einen Gesundheitscheck vorweisen, die Fluglinie "Eurowings" will ihre Sonderflüge voll bekommen, Unterkunftscontainer müssen bestellt werden: Und ungerührt von all dem Aufwand wächst der Spargel. Die Zeit drängt.
Im April und Mai dürfen je 40.000 Erntearbeiter unter strengen Vorgaben nach Deutschland einreisen – per Flugzeug. Die Arbeitskräfte von Heiko Junker kommen vorwiegend aus Rumänien und der Ukraine. Doch manche wollen gar nicht. "Entweder sie haben Angst vor Corona oder vorm Fliegen. Es ist schwierig, aber ich bin froh, wenn wir überhaupt Kräfte bekommen." Ob das funktioniert? Junker sieht hier das Windhund-Prinzip zum Zuge kommen und hofft, dass Helmstadt nicht das Nachsehen hat.
Zeit gewonnen hat er, indem er in diesem Jahr auf Maßnahmen, die Ernte zu verfrühen, verzichtet hat. So lässt auch der grüne Spargel noch auf sich warten. Wenn er reif ist, sollen die Arbeitskräfte da sein. Das dürfte zwischen 15. und 20. April so weit sein, dann steht die Haupternte an. "Das wird knapp", schätzt Junker.
Nicht nur, dass Unmengen an Formalitäten übers Internet runter- und wieder hochgeladen, hin- und hergeschickt werden müssen, auch die Unterkunft der ausländischen Arbeiter ist nun viel strengeren Regeln unterworfen. Sie darf nur zur Hälfte belegt sein. Junker hat jetzt vier weitere Wohncontainer geordert. Zusammen mit den Vorhandenen und dem Altbau des Hofguts kommt das hin. Doch der logistische Aufwand geht weiter: Die Arbeiter aus Osteuropa müssen eine "faktische Quarantäne bei gleichzeitiger Arbeitsmöglichkeit" einhalten: Sie dürfen sich also nur auf Hof und Feld bewegen. Das stellt den Landwirt vor weitere Herausforderungen: Die Verpflegung mit Essen und Toilettenartikeln muss organisiert, die sanitären Anlagen müssen jeden Tag gereinigt und desinfiziert werden. Dafür muss der Landwirt weitere Arbeitskräfte einstellen. Hinzu kommt die Abstandsregelung in der Halle, in der der Spargel sortiert wird. Dort ist der Mindestabstand kaum einzuhalten, die Arbeiter müssen Mundschutz tragen.
Und was ist mit dem Abstand auf dem Feld? "Das ist kein Problem", versichert Junker. "An einer Erntemaschine kann nur ein Mann arbeiten und die Spargelreihen haben einen Abstand von zwei Metern." Doch um den strengen Hygieneschutz zu gewährleisten, benötigt Junker Desinfektionsmittel. 150 Liter davon hat er bestellt, ob er sie bekommt, ist fraglich. 60 Liter hat er vorrätig, doch das wird wohl nicht reichen.
Um den Aufwand zu stemmen, muss nun die gesamte Familie mithelfen. Auch die beiden Töchter – eine würde jetzt eigentlich Abiturprüfung machen – sind eingespannt. Bedient werden können derzeit lediglich die Privatkunden. Für den Großmarkt reicht die Ausbeute noch nicht. Studenten und Kurzarbeiter aus Deutschland sowie polnische Arbeitskräfte helfen jetzt aus. Doch mit dem begrenzten Zeitkontingent, das viele inländische Arbeitskräfte bieten, kann Junker nicht kalkulieren. Denn er muss Arbeitsgruppen bilden, die über die gesamte Ernte zusammenbleiben, um die Ansteckungsgefahr gering zu halten: "Das geht nicht, wenn die Leute nur ein paar, noch dazu vorgegebene, Stunden in der Woche arbeiten können."
Junker hat noch eine weitere Idee, wie er seine Ernte sichern kann: Felder zum Selbststechen könnten eingerichtet werden. Bei der Erdbeerernte funktioniert dieses Prinzip gut. Doch auch dafür sind zunächst logistische Voraussetzungen zu schaffen, etwa die Verkehrsführung und vor allem Parkplätze.
Ein ähnliches Bild in puncto Erntehelfer zeichnet sich auf den Spargelhöfen Schechter in Kirchardt-Bockschaft und "Kraichgau Spargel" in Ittlingen ab. Reiner Keller hat seine Arbeiter in zwei Gruppen aufgeteilt. Die polnischen Erntehelfer werden nur zum Stechen des königlichen Gemüses eingesetzt. Eine zweite Gruppe, bestehend aus freiwilligen Helfern, kümmert sich ums Sortieren und Schälen. "Sie haben keinen Kontakt untereinander." Der Mindestabstand auf dem Feld werde eingehalten. Zudem wohnt und kocht die "Stech-Gruppe" zusammen. "Sie nehmen ein Auto, um aufs Feld zu fahren. Und nur einer geht einkaufen", betont Keller. Doch Keller könnte vor einem Problem stehen: Ein bis zwei Erntehelfer könnten in den nächsten Tagen noch hinzukommen. Diese müssten zwei Wochen vorsorglich von den anderen Spargelstechern getrennt sein. "Das können wir kaum leisten."
In Kirchardt-Bockschaft werden am Ende mehr als 20 Personen die Spargelernte vorantreiben – ebenfalls in zwei getrennten Gruppen, wie Eckhard Schechter berichtet. Selbst die Kinder seien eingespannt. Beim Sortieren seien die Abstände kaum einzuhalten. Daher habe man dort die Produktion heruntergefahren.