Zu einer besonderen Stadtführung hatten die Heimatfreunde anlässlich des „Europäischen Tags der jüdischen Kultur“ eingeladen. Stadtführer Christoph Waidler führte über den jüdischen Friedhof und erklärte dabei Bestattungsrituale und die Bedeutung von Grabsteinsymbolen. Foto: Angela Portner
Von Angela Portner
Eppingen. Ritualbäder, Wohnhäuser, Synagogen und Judenschulen – anlässlich des "Europäischen Tags der jüdischen Kultur" veranstalteten die Heimatfreunde eine Stadtführung, die das Leben der verschiedenen Religionen in der Altstadt thematisierte. Manche berührende Geschichte hatte Christoph Waidler den Teilnehmern dazu zu erzählen. Die Zahl war wegen der derzeit geltenden Hygiene- und Abstandsregeln auf 20 beschränkt, was bei dem großen Interesse für einigen Unmut sorgte. Nach dem Rundgang durch die Altstadt fanden Führungen über den jüdischen Friedhof statt, auf dem auch Bürger umliegender Gemeinden begraben sind.
Nur noch wenig Wasser steht heute in der Mikwe, einem Ritualbad, in dem Juden durch Eintauchen religiöse Reinigung erfuhren. Foto: Angela PortnerDie Geschichte der jüdischen Gemeinde geht nachweislich bis ins 13. oder frühe 14. Jahrhundert zurück. Schon in den Jahren der Pest wurden sie als "Marterstätten des schwarzen Todes" verunglimpft. Es ist davon auszugehen, dass bereits damals viele wegen ihres Glaubens die Stadt verlassen mussten. Erst 1420 tauchten wieder jüdische Namen in Eppingen auf. Über 200 Jahre später wurde die erste Judenschule im Haus des Mayer Löw in der Metzgergasse erwähnt. Erst 1773 entstand die alte Synagoge, in deren Keller sich die Mikwe, ein jüdisches Ritualbad, befindet. Wer die steilen Sandsteintreppen hinabsteigt und in das kleine, mit brackigem Wasser gefüllte Loch blickt, dem wird schnell klar: Hierher kam niemand, um sich den Schmutz vom Leib zu waschen, vielmehr ging es darum, nach Kontakt mit Toten, nach Menstruation oder Geburt durch Untertauchen wieder eine rituelle Reinheit herzustellen.
Nur wenig ist vom Leben jüdischer Bürger überliefert. Der Chronist und Heimatfreund Manfred Pfefferle hat alles, was er finden konnte, wie Puzzleteile aneinandergelegt und die Geschichten aufgeschrieben. Dabei ist auch die von Julius und Liesel Sternweiler, die vor dem Dritten Reich wenn auch arme, aber dafür sehr angesehene Bürger waren. Julius handelte mit Knochen und Fellen von Kleintieren und Kaninchen, die in vielen Familien als Schlachtvieh gehalten wurden. Je nach Größe des Felles erhielten die Kinder von ihm zehn bis 30 Groschen. Die Sternweilers waren die letzten Eppinger Juden, die im Oktober 1940 nach Gurs deportiert wurden, wo sie einige Monate später starben.
Die wohl beeindruckendste Station der Führung war die, an der die neue Synagoge stand. Der einschiffige Saalbau mit zwei minarettartigen Ecktürmchen und neuromanischen Stilelementen wurde vom Karlsruher Architekt Wilhelm Lößlin gebaut und am 31. Oktober 1873 geweiht. Als die Synagoge in der Reichspogromnacht von Eppinger Bürgern mit brennenden Strohballen gebrandschatzt wurde, war das Gebäude bereits an die danebenliegende Sparkasse verkauft. Der Brand war so heftig, dass man es nach Kriegsende abreißen ließ. Heute kündet an der Kirchenmauer nur noch eine Gedenktafel mit den Namen Eppinger Juden von ihrer Geschichte.
Zu lesen sind da zum Beispiel die der Familie Bravmann, und als Waidler die Geschichte des zwölfjährigen Hans vorlas, herrschte tiefe Betroffenheit bei den Umstehenden. Der Judenjunge wurde nicht nur ausgegrenzt und verhöhnt, sondern von den Nazischergen derart verprügelt, dass sein Körper nur so übersät von Wunden und blauen Flecken war. Der Eppinger Arzt Dr. Beysel quittierte den Vorfall mit den Worten: "Wie kann man einen Jungen denn nur so zurichten." Auch diese Familie wurde nach Gurs deportiert. Zwei Jahre später kamen sie in Auschwitz zu Tode.
Über jüdische Gebräuche und Traditionen bei der Bestattung informierte Waidler auf dem jüdischen Friedhof, der 1819 als Verbandsfriedhof angelegt wurde. Viele der hier beerdigten Juden kommen aus Nachbarorten wie Adelshofen, Ittlingen oder Gemmingen. Für im Kindbett verstorbene Wöchnerinnen und Kinder sind die Gräber auf dem hinteren Teil des Geländes angeordnet."Normalerweise liegen die Gräber alle östlich in Richtung Jerusalem", erklärte Waidler. Dass es in Eppingen in südlicher Richtung ist, liege wohl schlicht und einfach an der Lage des Grundstücks.
Die alten verwitterten Grabsteine mit Symbolen wie Engeln, segnenden Händen, gekreuzten Messern oder auf den Kopf gestellten Fackeln geben Fachleuten bis heute noch Rätsel auf. Man könne nur vermuten, dass diese dem Umstand geschuldet waren, dass die Steinmetze wohl selten jüdischen Glaubens waren und sich deswegen Fehler einschlichen. So manche verwitterte hebräische Schrift konnte aber inzwischen übersetzt werden. Bei einigen Steinen findet man rückseitig die deutsche Übersetzung. Sehr gut erhalten ist heute noch der Grabstein des Eppinger Gemeindevorstehers Rabbi Issak Moses Regensburger. Auffällig sind die beiden neuen Grabsteine, die erst vor zwei Jahren im Auftrag der Stadt gesetzt wurden. Sie tragen die Namen von Ricke Rosa Eisemann und Leopold Dreifus. Landesrabbiner Moshe Flomenmann weihte sie anlässlich des 200. Bestehen des Friedhofes.