„Die Drei von der Schleifstelle“ bei der Arbeit (v.l.): Eduard Muckle, Hans-Eckard Bucher und Manfred Schädler verwandeln große Teile des ehemaligen Deckenholzes zu modernen Tischen. Foto: Falk-Stéphane Dezort
Von Falk-Stéphane Dezort
Bad Rappenau-Heinsheim. Das Dach ist fertig, die Empore ist eingebaut, die Außenanlage ist angelegt und der Anbau samt Lager und Toiletten steht: Die Arbeiten des "Freundeskreises Ehemalige Synagoge" an dem einstigen jüdischen Gotteshaus in Heinsheim neigen sich dem Ende zu. Jahrelang haben die Verantwortlichen viel Schweiß und unzählige Stunden Freizeit in ihr Herzensprojekt gesteckt, aus dem Gebäude einen Ort der Begegnung zu machen.
Das einzige, was jetzt noch fehlt, sind die Tische. Und die entstehen, wie so vieles bei diesem Vorhaben, in Eigenarbeit. Diesmal unter dem Motto "Decklein tisch dich". Das bekannte Märchen wurde in Heinsheim kurzerhand umgeschrieben. Denn: Regelmäßig treffen sich Beisitzer Eduard Muckle und 2. Vorsitzender Hans-Eckard Bucher mit Kassier Manfred Schädler in dessen Garage und verwandeln die ehemalige Zwischendecke, die einst von einer Schmiede in die Synagoge eingebaut worden war, zu zwölf modernen Tischen.
Rund 50 der 80 Quadratmeter Deckenholz kann das Trio wiederverwenden. Die übrigen 30 hatten in den vergangenen Jahrzehnten zuviel Wasser gezogen und sind verfault. Zunächst haben Muckle, Bucher und Schädler die Bretter auf dielenbreite zurechtgesägt. In weiteren Schritten wurde dann mühevoll der Ruß von den Hölzern gekrazt und die künftigen Tische gehobelt. Anschließend wurden die Bretter zusammengeleimt, Unebenheiten begradigt sowie Wurm- und Astlöcher zugespachtelt. Als letztes wurden die Tische geschliffen und anschließend auf die gekauften Tischbeine montiert.
Mithilfe ihrer Eigenleistung spart das Trio für den Freundeskreis ordentlich Geld ein. Und das im doppelten Sinn. Nicht nur, dass die Entsorgung der Decke rund 3000 Euro gekostet hätte, auch für neuangeschaffte Tische hätten sie weit mehr als die jetzigen Materialkosten von 100 Euro pro Exemplar ausgeben müssen. Lediglich die Tischbeine habe man hinzugekauft. Aber das Wichtigste: "Die Tische können eine Geschichte erzählen", sagt Muckle. Und aus dem Holz entstehen nicht nur die Tische. Auch der Fußboden der Frauenempore besteht aus der ehemaligen Zwischendecke. "Wir haben recycelt, was wir konnten", betont Schädler.
Das Trio bezeichnet sich selbst gerne als "Die Drei von der Schleifstelle". Gemeinsam hatten sie schon die alte Wendeltreppe aus Holz zur Empore wieder aufbereitet und eingebaut. Und kurz vor Weihnachten 2019 konnten sie mit weiteren Helfern das neue Dachgewölbe installieren.
Dass die Verantwortlichen nun vor einem nahezu vollendeten Projekt stehen, macht sie besonders stolz. Vor allem, weil man wohl den Kostenrahmen hält. 2015 war der Freundeskreis mit einer Investition von rund 390.000 Euro ins Rennen gegangen. "Wir sind gut rum gekommen", sagt Bucher. Und das trotz einiger Überraschungen. Beispielsweise hatte ein Statiker Bedenken geäußert, ob das Gebäude das neue Gewölbe trägt. Dies machte den Einbau von drei Zuganker-Anlagen erforderlich. Eine Maßnahme, die nicht eingeplant war. "Es ging auf und ab", beschreibt Schädler. "Uns wurde nie langweilig.
Manchmal ging uns auch der Hintern auf Grundeis, und wir hatten einige schlaflose Nächte." Doch dank vieler Eigenleistungen und kostenloser Hilfe habe man die Ausgaben auch immer wieder drücken können. Zudem wurde der Verein nicht nur von Privatleuten, sondern auch von der Stadt oder den Stiftungen "Stuttgarter Lehrhaus" und "Wüstenrot" sowie Banken finanziell unterstützt.
Nun hoffen die Verantwortlichen, dass sie ihr fertiges Projekt "endlich der Öffentlichkeit präsentieren" können. "Wir brennen darauf", betont Bucher. "Es ist ein schöner Ort entstanden. Schon bei der Arbeit sind viele Leute vorbeigelaufen und haben hin und wieder reingeschaut", erklärt Muckle.
Doch nicht nur Einheimische zeigen Interesse, vor allem in den Sommermonaten hätten auch viele Wanderer des Wegs "Neckarsteig", der direkt an der ehemaligen Synagoge vorbeiführt, einen Stopp eingelegt, um sich über das Vorhaben zu informieren.
Eigentlich sollte der Ort der Begegnung am zurückliegenden 22. Oktober anlässlich des Gedenkens an die Deportation der Juden ins Camp de Gurs nach Frankreich stattfinden, aber Corona machte dies unmöglich. Nun soll das ehemalige Gotteshaus mit einer Festwoche vom 10. bis 16. Juni eröffnet werden. Geplant sind beispielsweise ein Tag der offenen Tür und ein Tag des Dankes für Förderer und Mitglieder. Bei den Eröffnungsfeierlichkeiten sollen aber auch eine Veranstaltung der Reihe "Trialog der Religionen" sowie ein offener Tora-Lernkreis in Heinsheim stattfinden.