Ihren Lebensabend genießt die 67-jährige Annette Britsch in Balchik, einer bulgarischen Stadt direkt am Schwarzen Meer. Repro: Barth
Von Christiane Barth
Bad Rappenau/Balchik. Es blieben ihr genau vier Möglichkeiten, mit ihren 530 Euro Rente zurechtzukommen: Kambodscha, Vietnam, Paraguay oder Bulgarien. "Ich habe vier Kinder großgezogen. Jetzt muss es irgendwo in der Welt einen Platz geben, an dem ich mit meinem Geld gut leben kann", sagte sich Annette Britsch vor vier Jahren.
Vier Länder, so fand sie heraus, waren aufgrund ihrer geringen Lebenshaltungskosten geeignet. Die damals 63-Jährige wanderte nach Bulgarien aus. Heute sitzt sie gemütlich unter Palmen am Schwarzen Meer und bereut ihren gewagten Schritt von damals kein bisschen. Denn er hat sie vor der Altersarmut, die so viele Ältere hart trifft, bewahrt. Vor ihrer Auswanderung lebte Annette Britsch direkt am Kurpark von Bad Rappenau. Deutschland vermisst sie nicht, allenfalls eben den Kurpark und das Schlosscafé.
Durch die Mitgliedschaft in der EU ist die Einwanderung nach Bulgarien ohne große Hürden möglich. Auch das kommunikative Problem ist kein allzu großes: Deutsch ist eine sehr beliebte Fremdsprache in Bulgarien, auch in den Schulen. Und wenn Deutsche mit einer Mindestrente jeden Cent umdrehen müssen, können sie in Bulgarien damit gut zurechtkommen. Wie Annette Britsch, die mit ihrem Hund in einer Dreizimmer-Wohnung lebt und bekennt: "Ich will nicht mehr zurück. Zumal, wenn ich sehe, was in Deutschland los ist."
Dass sie vor vier Jahren einen solch radikalen Schnitt wagte, lag wohl daran, dass sich eine gewaltige Kluft aufgetan hatte: "Ich habe mich so oft verkämpft: Das Leben muss doch mehr bieten als täglich zwölf Stunden Arbeit."
Im "früheren Leben" betrieb Annette Britsch ein Fitnessstudio für Frauen, war Winzerin und Altenpflegerin - hart gearbeitet hat sie immer. Als sie jedoch ihren Rentenbescheid in den Händen hielt, sah sie sich vor eine Entscheidung gestellt: "Entweder zahle ich Miete und habe nichts zu essen oder ich habe zu essen und sitze auf der Straße."
Heute genießt sie ein unbeschwertes Rentnerdasein in Balchik, am nördlichen Rand von Bulgarien, kann von 100 Leva (etwa 50 Euro) ihre Lebensmittel für eine gute Woche bestreiten und sogar den Hund mitversorgen. Eine Zweiliterflasche Wein kauft sie für zwei Leva. "Und das ist dann sogar ein guter Tropfen".
Auch mit dem Gesundheitssystem in Bulgarien hat Annette Britsch gute Erfahrungen gemacht. "Die medizinische Versorgung ist zwar nicht so modern wie in Deutschland, aber ich bekomme viel schneller einen Termin beim Facharzt." Europäische Bürger haben grundsätzlich ein Recht auf medizinische Behandlung im europäischen Ausland, zumindest der Inlandssatz einer Behandlung ist meist abgedeckt. Immer mehr Rentner entdecken Bulgarien für den Lebensabend. Gründe für die Auswanderung sind neben der Möglichkeit, gut und günstig über die Runden zu kommen, auch das milde und gesunde Klima, gilt Bulgarien doch als das Land der Hundertjährigen. Ob sie sich denn aber nicht einsam fühle, so alleine in einem fremden Land? "Balchik hat 13.000 Einwohner", antwortet da die lebenslustige Frau.
Eine TV-Doku hat auch bei der Rhein-Neckar-Zeitung für einige Nachfragen zur Adresse der rüstigen Rentnerin gesorgt: So wollte ein nach Ungarn ausgewanderter Deutscher Annette Britsch bei sich aufnehmen. Der Senior hatte die Reportage in seinem Haus am Plattensee verfolgt und wollte - wohl nicht ganz uneigennützig - der Rappenauerin Unterkunft bieten.