Von Tim Kegel
Sinsheim. Es sieht ein bisschen so aus wie beim Rock am Ring, auf der Loreley oder auf dem hippen Kiez. Und schmecken muss es. "Street Food", eine Art urbanes Ess-Festival, oft gewürzt mit Elektromusik, ist andernorts fast schon wieder alt. In Sinsheim nicht. Am Wochenende zog das erste "Streetfood Festival" der Mosbacher Agentur "nsp sports & experience" viele hundert Menschen aus ganz Südwestdeutschland auf den klirrend kalten Freibadparkplatz.
Wurst, Steak, Pommes rot-weiß - hier nicht. Mit den Veranstaltungen, die sonst hier stattfinden, hatte das Festival wenig Gemeinsamkeiten: Kleine üppige Happen, mit regionalem oder weltumspannenden Touch, fettige Finger, genüssliches Reinstopfen und sich durchprobieren. Da gibt es Kärtner Nudeln mit Röstkraut und Speckgrammel, ungeahnte Knödel- und Brezelvariationen, zum Szenetipp umfunktioniertes Mama-Essen (oft mit Mama selbst auf dem ,Food Truck‘), raffinierte Eigenkreationen, fleischlich und vegetarisch. Scharfes und süßes Teriyaki-Fleisch, mexikanische Spieß, indische Parottas und Samossas, Hamburgermachen wird zur Kunstform erhoben und es gibt Brezel-, Wild- und Burger aus Edeltofu, Seitan genannt. Röstchipsmanufakturen, die frittierten Schokoriegel, wie man sie in Belfast isst und alle möglichen Gerichte, wie man sie matschend und flatschend von Jamie Oliver und Co hineingeschoben bekommt. Und wie man sie in guten, in Bauhausschrift gedruckten Mädchenzeitschriften zum Nachkochen findet oder auf Instagram. "Food Porn", sagen manche, Essensporno, Gaumensex und "leider Geil."
Und so sagen alle, die man fragt, dass es eine Wiederholung geben muss. Dieses seien Sachen, wie man sie in Sinsheim, in der Mittagspause, beim Fohlenmarkt und so weiter gerne öfter essen würde, die man aus der Großstadt, aus dem Urlaub in Asien oder Südamerika in so schöner Erinnerung hat. Hakan Senn aus Waldangelloch etwa sagt so: Er hat, wie viele "immer von Street Food gehört", aber nie mitgemacht. Beim aufwendigen Seiten-Burger, demgegenüber Exemplare aus der Neulandstraße wie fade Dinger aussehen, "vermisse ich kein Fleisch." Efkan Igdir, Geschäftsmann aus Sinsheim hätte "etwas mehr mit Rindfleisch vermisst", griff dann aber zum mexikanischen Grillspieß aus 300 Gramm mariniertem Schwein. Allah wird’s ihm nachsehen: "Gut. Sehr gut. Wir waren Freitag da und gehen am Sonntag noch mal hin."
So ging es einigen: Michael Knapp aus Bönnigheim bei Ludwigsburg ist einer, der ähnlichen Events hinterhertourt. Er kann vergleichen. Sinsheim, sagt er, falle auch deshalb positiv auf, weil - im Gegensatz zu Events in Heilbronn - "kein Eintritt verlangt wird und so ein Burger keine zwölf Euro kostet." Michael schätzt, "dass man Dinge probieren kann, die man nicht kennt." Kürzlich habe man ihm gegegrillte Heuschrecken angeboten: "Das schmeckt. Das kann man machen."
Etwa 25 hip durchgestylte, oft cool-subkulturell angetouchte ,Food Trucks‘ waren auf dem Platz: "Eigentlich gut. Aber fast zu viel", sagt der Profi: Abraham, Riegel-Fritteur und Gastronom aus Köln. Bei 25 Trucks komme man in einer Kleinstadt nur schwierig auf einen halbwegs guten Schnitt. Die Anbieter stammen oft aus der Gastronomie, sind Wirtsnachwuchs mit Gasthaus im Rücken, Freunde und Bekannte regionaler Produzenten oder bestücken Feierlichkeiten aller Art bis hin zum Mittelaltermarkt, wenn gerade mal kein "Street Food" ist. Aber man hatte ja drei Tage Zeit, zum Glück: Denn sich durchzuprobieren war oft aus leerem Magen geborenes Wunschdenken - die Portionen waren oft relativ üppig, auch preislich nicht immer ganz ohne, wobei Aufwand und Qualität gefühlt recht hoch waren. Das sagt auch Abraham aus Köln: Handarbeit sei oft selbstverständlich, Fertigprodukte wären eher verpönt. Und: "Das, was hier auf dem Platz steht, ist selbst für Stuttgart oder Hamburg richtig viel."